Idealismus als Gesamterscheinung durch. Und es war gleichsam eine letzt-
willige Bestätigung seines Sieges, die der scheidende Friede als Unterpfand
künftiger Entwicklung an Deutschland hinterließ, daß dem erfolgreichsten
Meister eine so wundervolle Aufgabe wie der Platanenhain zufiel, in dem
sich Geist und Materie, Idealismus - als Verbildlichung einer umfassenden
Idee - und Strenge des plastischen Stils zur Symphonie vereinen.
Nun kommt uns plötzlich, noch mitten im Kriege, die Nachricht, daß
den Werken dieses Schöpfers eine alles zusammenfassende Heimstätte von
einem rheinischen Großindustriellen geboten werde; daß Erich Cüpper in
Aachen ein Hoetger-Museum begründet habe und die sämtlichen noch
erreichbaren -'auch in Zukunft erreichbaren f Skulpturen des Meisters in
einem besonderen Anbau an sein Wohnhaus aufstellen werde.
Es ist die zweite große Kristallisation, die dem Werke dieses Begnadeten
zuteil wird. Profane Zungen mögen sagen: er habe Glück, daß ihm gerade
das Schicksal solche Konzentration, solche sichtbare Kräftesammlung, ein-
mal im Platanenhain und abermals bei Erich Cüpper in Aachen werde.
Aber Mephistos Wort gilt immer noch:
Wie sich Verdienst und Glück verketten,
Das fällt den Toren niemals ein.
Das Schicksal suchte sich den rechten Mann aus; und daß es gerade
Hoetger war, dessen Werke auf einer Sonderausstellung in diesem Frühjahr
einen so tiefen Eindruck auf den langsam genesenden, aus Frankreich schwer
leidend heimgekehrten Cüpper machten, ist kein Zufall. Das Repräsentative
in seiner Kunst wurde jenem zur Offenbarung; die Form eines Ausdrucks,
welche die neue Zeit mächtig bewegt, erschien ihm hier in einer Vollendung,
wie sie einer noch im Werden begriffenen Kunst überhaupt möglich ist. Das
Grandiose der Einfachheit, die ins Herz treffende Innerlichkeit dieserFiguren
überzeugten mit einer Wahrheit, die dem bloßen Naturalismus immer versagt
bleibt; die Zusammenfassung der Einzelheiten in eine große Form und das
typisch Bleibende der Gesten wurden zum Erlebnis einer neuen Ausdrucks-
form der Skulptur, als der Körper in den Raum stellenden Kunst. Dies ist die
große gemeinsame Linie, die Hoetger mit van Gogh, Munch, Nolde verbindet
und die den neueren Plastikern wie Albiker, Lehmbruck, Scharff und so weiter
gegenüber der Plastik des Realismus einen gegensätzlichen Standpunkt
anweist: daß sie alle von einem inneren Erlebnis ausgehen, Visionen und
Empfindungen, ja (man schaudere) Ideen darstellen an Stelle einer Abschrift
der Natur. Daß der Bildhauer sich dabei dem Naturbild, der körperlichen
Gestalt, enger anschließen muß als der frei schaffende Maler, liegt an seinem
Material. Wie er es dennoch nach Möglichkeit umformen und überwinden
könne, lehren ihn die großen Epochen gebundener Form in derVergangenheit.
Und so ist es kein Wunder, daß die jüngeren Talente übereinstimmend sich,
statt Renaissance und Barock, der ägyptischen und griechisch-archaischen
Skulptur zuwenden als ihrem großen Leitstern.