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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 8 und 9)

Idealismus als Gesamterscheinung durch. Und es war gleichsam eine letzt- 
willige Bestätigung seines Sieges, die der scheidende Friede als Unterpfand 
künftiger Entwicklung an Deutschland hinterließ, daß dem erfolgreichsten 
Meister eine so wundervolle Aufgabe wie der Platanenhain zufiel, in dem 
sich Geist und Materie, Idealismus - als Verbildlichung einer umfassenden 
Idee - und Strenge des plastischen Stils zur Symphonie vereinen. 
Nun kommt uns plötzlich, noch mitten im Kriege, die Nachricht, daß 
den Werken dieses Schöpfers eine alles zusammenfassende Heimstätte von 
einem rheinischen Großindustriellen geboten werde; daß Erich Cüpper in 
Aachen ein Hoetger-Museum begründet habe und die sämtlichen noch 
erreichbaren -'auch in Zukunft erreichbaren f Skulpturen des Meisters in 
einem besonderen Anbau an sein Wohnhaus aufstellen werde. 
Es ist die zweite große Kristallisation, die dem Werke dieses Begnadeten 
zuteil wird. Profane Zungen mögen sagen: er habe Glück, daß ihm gerade 
das Schicksal solche Konzentration, solche sichtbare Kräftesammlung, ein- 
mal im Platanenhain und abermals bei Erich Cüpper in Aachen werde. 
Aber Mephistos Wort gilt immer noch: 
Wie sich Verdienst und Glück verketten, 
Das fällt den Toren niemals ein. 
Das Schicksal suchte sich den rechten Mann aus; und daß es gerade 
Hoetger war, dessen Werke auf einer Sonderausstellung in diesem Frühjahr 
einen so tiefen Eindruck auf den langsam genesenden, aus Frankreich schwer 
leidend heimgekehrten Cüpper machten, ist kein Zufall. Das Repräsentative 
in seiner Kunst wurde jenem zur Offenbarung; die Form eines Ausdrucks, 
welche die neue Zeit mächtig bewegt, erschien ihm hier in einer Vollendung, 
wie sie einer noch im Werden begriffenen Kunst überhaupt möglich ist. Das 
Grandiose der Einfachheit, die ins Herz treffende Innerlichkeit dieserFiguren 
überzeugten mit einer Wahrheit, die dem bloßen Naturalismus immer versagt 
bleibt; die Zusammenfassung der Einzelheiten in eine große Form und das 
typisch Bleibende der Gesten wurden zum Erlebnis einer neuen Ausdrucks- 
form der Skulptur, als der Körper in den Raum stellenden Kunst. Dies ist die 
große gemeinsame Linie, die Hoetger mit van Gogh, Munch, Nolde verbindet 
und die den neueren Plastikern wie Albiker, Lehmbruck, Scharff und so weiter 
gegenüber der Plastik des Realismus einen gegensätzlichen Standpunkt 
anweist: daß sie alle von einem inneren Erlebnis ausgehen, Visionen und 
Empfindungen, ja (man schaudere) Ideen darstellen an Stelle einer Abschrift 
der Natur. Daß der Bildhauer sich dabei dem Naturbild, der körperlichen 
Gestalt, enger anschließen muß als der frei schaffende Maler, liegt an seinem 
Material. Wie er es dennoch nach Möglichkeit umformen und überwinden 
könne, lehren ihn die großen Epochen gebundener Form in derVergangenheit. 
Und so ist es kein Wunder, daß die jüngeren Talente übereinstimmend sich, 
statt Renaissance und Barock, der ägyptischen und griechisch-archaischen 
Skulptur zuwenden als ihrem großen Leitstern.
	        
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