Hoetger bietet vielleicht den liebenswürdigsten und überzeugendsten
"Fall der neueren Ausdruckskunst. Cüpper erfuhr an ihm das umwälzende
Erlebnis einer neuen Weltanschauung, wie sie mit überwältigender Kraft
nur die Kunst vermitteln kann. Kein Wunder, daß er von dieser Persönlich-
keit hingerissen wurde; daß er, durch Leiden doppelt empfänglich gemacht,
und nach den erschütternden Begebnissen der französischen Front, diese
Offenbarung mit dem Mut und der Überzeugungstreue idealistischer Jugend
sogleich in tatkräftigen Kult ummünzte. Nicht der Erwerb von ein paar
schönen Skulpturen konnte ihn befriedigen; nach einigen Wochen Bekannt-
schaft mit diesen Sachen war es ihm Bedürfnis geworden, die Gesamtheit
dessen, was Hoetgcr schuf, als bleibende Sammlung zu vereinigen. So ging
denn alles, was noch frei war, in seinen Besitz über, und die zukünftigen
Werke des Meisters werden ihren Weg zu ihm finden, soweit sie nicht auf
festen Auftrag hin geschaffen worden sind. Und es entstand eine neue Art
von Museum, die Privatsammlung sämtlicher Werke eines Künstlers: das
Hoetger-Museum am Cüpperschen Wohnhause in Aachen.
Es wird wohl kaum an Widerspruch und Tadlern fehlen. Gegengründe
liegen auf der Hand. Aber nicht um Grund und Gegengrund handelt es sich,
wo mitten im Kriege, der Deutschland und .seine Verbündeten vernichten
sollte, ein Kulturwerk von besonderem Reiz entsteht. Daß diese Tat aus dem
reinsten Idealismus entsprungen ist, daß sie den Willen kundgibt, diese
Überzeugung mit Opfern und mit dem Einsetzen der ganzen Persönlichkeit
vor der Welt zu vertreten und für seine Idee zu werben: das macht ihren
besonderen Wert aus. Man kann ruhig darüber streiten, ob I-Ioetger oder ein
anderer lebender Meister der Ehre eines Museums würdig wäre (daß Sonder-
museen von Plastikern nichts Seltenes sind, besagen manche Vorgänger,
wie Thorwaldsen, Rauch, Schwanthaler, Donndorf und so weiter), und mag
daraus die Konsequenzen ziehen, daß auch anderen Künstlern von repräsen-
tativem Wert solche Mäzene erstehen mögen, die aufs Ganze gehen.
Unbestreitbar aber ist, daß eine solche Tat wie die Cüppers vorbildlich ist
nach vielen Richtungen hin. Dem Mäzenatentum wird der Weg zur jüngsten
Kunst gezeigt, der Kunst der Lebenden und Zukunftsreichen; denn altbewährte
Kunst zu sammeln ist Sache öffentlicher Museen und sicherer Kapitalsanlage.
Der Mut, sich zu einem führenden Künstler zu bekennen und sein gesamtes
Werk der Öffentlichkeit zur Kenntnisnahme, zur Begeisterung oder Kritik
zu unterbreiten, würde uns, allgemein geworden, mit intimen und anregenden
Sammlungen bereichern. Wie denn auch stets die Sammlungen die reiz-
vollsten und fruchtbringendsten sind, in denen ein oder zwei Meister über-
wiegen und auf ihre Arbeiten die größte Sammlerliebe verwendet ist.
Und schließlich tun uns wohl auch kleine Museen von Originalskulpturen
not, die mit Geschmack und nach neueren Grundsätzen angelegt sind. Die
älteren Sondermuseen, etwa von Rauch oder Schwanthaler, leben ein über
alle Maßen beschauliches Dasein. Wer nicht unbedingt hin muB, meidet diese
Stätten verstaubter, kalter Pracht, weil man dort nur lieblos hingepflanzte