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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 10)

ÜBER EINE FIGUR TULLIO LOMBARDIS__ UND 
ANDERE HOLZSKULPTUREN DES FRUHEN 
VENEZIANISCHEN CINQUECENTO 50' VON 
L. PLANISCIG-WIEN St. 
Qäifcfy der Sammlung des Herrn Stefan von Anspitz- 
MV. . . . 
Wien befindet sich eine etwas unterlebensgroße 
ßf; 'A', "i Holzfigur: eine thronende jugendliche Frauen- 
gestalt in weiten Gewändern, mit leicht nach 
' rechts geneigtem Kopfe und welligem Haar, von 
  
  
  
  
 
1,; 
   
 
 
 
  
  
 
 
 dem je drei Strähne die beiden Schultern herab- 
gXQ fallen. Der linke Unterarm, dessen Hand jetzt 
jefy ' einen Spiegel hält, ist, sowie auch die auf einem 
ä}, y";- Buch ruhende Rechte und die aus dem Gewande 
f"; hervorragenden Zehen, modern ergänzt. Dadurch 
kann die Deutung der Figur als „Prudentia" nicht für gesichert angenommen 
werden, obwohl man nicht fehlgehen dürfte, in dieser anmutigen Frauen- 
gestalt die Personiiikation einer Tugend zu erblickenß" Abgesehen von den 
angeführten Ergänzungen, ist die Figur selbst, wie auch das Postament (die 
Hälfte einer hexagonalen Kiste, deren Vorderseite mit einem konvexen, 
durch Doppelband und Hohlkehle gerahmten Medaillen verziert ist) und der 
bankartige Thron, auf dem sie sitzt, in Fassung, Polychromierung und 
Ornamentik vorzüglich erhalten. Eine hoch um die Brust geschnürte, fein 
gefältelte Tunika und ein über die Schultern geworfener, durch breite Falten 
belebter Mantel bilden ihre Bekleidung (Abb. r und 2). 
Die Frage nach der künstlerischen Provenienz dieser in ihrer Art 
seltenen - vielleicht einzigen - Skulptur scheint mir nicht schwer zu 
beantworten?" Alles deutet auf das venezianische frühe Cinquecento hin. 
Gesichtsausdruck und Faltengebung der Gewänder sind so charakteristisch, 
daß ihre Einordnung in den engeren Kreis der zweiten Lombardi-Generation, 
die Tullio beherrscht, nicht allzu schwer fallen dürfte. 
Man vergegenwärtige sich jene zwei Marmorreliefs, welche Tullio in 
der Cappella del Santo zu Padua mit seinem vollen Namen bezeichnete und 
die ihm 1501, respektive 1505 in Auftrag gegeben wurden, die er jedoch 
erst 1525 vollendet ablieferte: Antonius heilt das Bein eines jünglings 
(TVLLII LOMBARDI OPUS signiert) und der Heilige findet in der Leiche 
des Geizhalses einen Stein an Stelle des Herzens (OPUS TVLLII LOM- 
BARDI . PETRI . F . signiert und unten mit der Jahreszahl M. D. XXV. 
datiert). Der Vergleich der Frontalaufnahme unserer Figur (Abb. r) mit jener 
 
i" Höhe (samt Sockel): x'35 Meter, Höhe (ohne Sockel): r Meter, Breite: 0-77 Meter. 
"i" Eine Holzgruppe „Der Engel mit dem kleinen Tobias" in der Kirche zu Cascia (Provinz Perugia) 
erinnert an unsere Figur und ist sicher auch eine venezianische Arbeit um 1500 (Rassegna d'Arte rgu, Seite 7x), 
ebenso ein Holz-Sebastian aus Sangemini bei Temi, der auf der Ausstellung alturnbrischer Kunst in Perugia 
1908 zu sehen war (Zeitschrift für bild. Kunst, N. F. rg, rgoB, Seite 13x).
	        
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