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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 2. Abtheilung

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Die Tendenz, welche beinahe die gesaimnte Zeitliteratur durchdringt, tritt mit 
Vorliebe auch auf didaktischem Gebiete auf, und zwar entweder in moralisirender oder 
in religiöser Richtung; so die dialogische ,kkaäa Lvir-rk" (Der Rath der Threre), etwa 
dem Anfang des XV. Jahrhunderts angehörend und auch der etwas später entstandene 
„Otvarollrairüe" (Der Vierkanter oder Vierschröter), nach den vier Cardinaltugenden so 
genannt, eine Prosa-Übersetzung der Apologie des Cyrillus. 
Die religiöse Tendenz tritt am schärfsten bei Herrn Ctibor Tovacovsky von Cunbnrg 
(gestorben 1494 als Landeshauptmann der Markgrafschaft Mähren) hervor, und zwar in 
seinem allegorischen Werke „Hüäarrr?ravä^ n 4>Li o ürrtzLsüe rdom a Miro vom stell« 
(Streit der Wahrheit und Luge über die Güter der Geistlichkeit und ihre Herrschaft), wo 
wir den Wiederhall der damaligen endlosen Kontroversen zwischen den Hnsiten und der 
römischen Kirche zu hören bekommen. Der poetische Werth dieses Denkmals besteht einzig 
in der reichen, blumigen Sprache, die von biblischen Reminiscenzen durchsättigt ist und 
sich dadurch nicht selten einen erhabenen Schwung aneignet; Inhalt und Einkleidung sind 
eintönig und ermüdend. 
Auf dem Gebiete der geistlichen Poesie kann man nur in einer Richtung von 
Fortschritt sprechen, und zwar bei dem Kirchenlieds. Hier mußte infolge der religiösen 
Bewegung der bis dahin überwiegende Einfluß des rituellen Lateins trotz aller Bemü 
hungen der Geistlichkeit nach und nach der Nationalsprache Raum gewähren. Böhmische 
Lieder, als kräftiger Ausdruck dogmatischer Orthodoxie, erklangen immer mächtiger 
nicht blos in überliefertem Wortlaute, sondern oft in neuen Fassungen, die theils als 
Übersetzungen aus dein Latein, theils als Nachahmungen, theils als Originalproducte 
beliebten Melodien sich anschmiegen. Bereits um die Hälfte des XV. Jahrhunderts war man 
im Stande eine ganze Liedersammlnng anzulegen, wie das noch erhaltene Cancionale 
von Jistebnitz beweist. In der Folge wurde die Zahl der böhmischen Kirchenlieder fort 
während vermehrt, weil nicht nur das allgemeine Interesse ihre Production förderte, 
sondern auch die neuen religiösen Sekten ihre Lehren auf diese Weise am kräftigsten ver 
breiteten. Dem entgegen erlangte der lateinische Gesang nie mehr eine größere Bedeutung; 
er wurde zwar von den Humanisten eifrig gepflegt und auch von den Genossenschaften der 
Literaten zum Theile gefördert, aber dem Volke blieb er fremd und konnte deshalb nur 
künstlich und auf kurze Zeit erhalten werden. 
Der erzählenden Prosa fiel in dieser Zeit die Rolle der ehemaligen epischen 
Dichtungen zu, die demokratisirte Einkleidung verschaffte ihr überall freundliche Auf 
nahme. Doch fehlte es der reichen Production an Originalität. Der weltlichen Lectüre 
genügten meist Abschriften älterer Denkmäler (Geschichte Alexanders, Trojanische Chronik, 
Tkadlecek, Apollonius von Tyrus, Gesta Romanornm, Bruncvik), teilweise auch neue
	        
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