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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 11 und 12)

Es herrschte damals, trotz der bereits unleugbaren Vorherrschaft 
von Paris (und London) 4 anscheinend wenigstens bei einigen - 
noch der gesunde Sinn des Modewechsels, nämlich der, dem Reize des 
Geschmackvollen noch den des Neuen beizugesellen, um so das durch 
gewohnte Formen abgestumpfte oder gleichgültig gelassene Auge durch 
einen neuen Reiz auf sonst übersehene Schönheiten hinzulenken. Daß bei 
solchem Bestreben natürlich oft auch bloß Eitelkeit oder Neuerungs- 
sucht im Spiele sind, ändert an der Sache nichts, wie ein möglicher Miß- 
brauch ja niemals eine sonst gute oder gleichgültige Sache selbst ver- 
dammenswert erscheinen lassen darf. Denn was kann nicht mißbraucht 
werden? 
Keeß hat jedenfalls recht, wenn er sich nicht von vornherein gegen 
jeden Modewechsel wendet - es wäre übrigens ein sehr fruchtloser Kampf 
gewesen ---, sondern ihn nur vorteilhaft zu lenken sucht. Gewißhat er auch 
recht, wenn er sagt, daß man in Dingen, die raschem Wechsel unterworfen 
sind, vorangehen müsse, wenn man daraus Nutzen ziehen wolle. Denn 
selbst wenn es gelingt, das Fremde billiger herzustellen, wird man nie 
größeren Gewinn davon haben, da man den fremden Markt dann meist nur 
zu einem Zeitpunkt erobern könnte, wo dieser die Ware gar nicht mehr 
verlangt, sondern eine andere. 
Ob allerdings eine Neuheit, um anerkannt zu werden, nicht doch den 
Weg über einen weltbekannten Handelsmittelpunkt nehmen muß, ist eine 
andere Frage. Die Franzosen haben ja während des Krieges selbst be- 
hauptet, daß die meisten Modeneuheiten der letzten Jahre aus Deutschland 
und Österreich stammten und von Paris aus nur verbreitet worden seien. 
Wenn die Franzosen das heute erklären, wollen sie allerdings nur die 
Verantwortung für den Wahnwitz und die Geschmacklosigkeit der letzt- 
jährigen Moden von sich abwälzen. Aber vielleicht wären andere Dinge 
in den letzten Jahren über Paris eben nicht verbreitet worden. Die Tat- 
sachen scheinen für eine solche Anschauung zu sprechen. 
Für die Zeit um das jahr 1820 konnte Keeß übrigens auch Wien als 
einen der Punkte ansehen, die über das Schicksal von Neuheiten entscheiden 
durften. Und dann hatte sich damals der reine Handelsgeist noch nicht 
alle Fähigkeiten so unterjocht, daß eine tüchtige Leistung nicht auch an sich 
auf einen gewissen Erfolg hätte rechnen können. 
Jedenfalls bleibt die Tatsache aufrecht, daß man in wechselnden Dingen 
mit an der Spitze stehen muß, wenn man nicht bald ganz zurückleiben will. 
Wir begrüßen es daher mit Freude, daß man in Wien nun wieder 
Versuche macht, das altheimische Gewerbe der Banderzeugung zu beleben, 
wie es durch die Ausschreibung einer Preisarbeit durch den Direktor der 
Wiener Kunstgewerbeschule, Hofrat Alfred Roller, an dieser Anstalt 
geschehen istf" Es erscheint uns auch richtig, hier von der ersten Idee 
i; Es stand hiezu der diesjährige, von der Niederösterreichiscben Haudels- und Gewerbelrammer gestiftete 
Max von Mauthner-Preis zur Verfügung; das preisgekrönte Stück ist unter Nr. m7 abgebildet.
	        
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