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sowohl halb- (d. i. floretb), als ganzseidene Bänder nach Schweizer Art auf
Mühlstühlen verfertigte, und nach vielen kostspieligen Versuchen auch die
Fabrication faconierter Bänder auf die Mühlstühle übertrug."
Leider erfahren wir nicht, wann diese Neuerung erfolgt ist; aus einer
früher gebrachten Nachricht haben wir gesehen, daß im Jahre x78: von
anderer Seite ein solcher Versuch gemacht worden ist und anscheinend
als etwas noch nicht Dagewesenes. Wir dürfen also wohl an einen späteren
Zeitpunkt denken."
Wir wollen nun noch einige andere Wiener Fabriken aus der bis jetzt
behandelten Zeit anführenjm
Wir haben bereits erwähnt, daß die Jahnersche Fabrik von Sanguin
im Verein mit einem gewissen Kienlein übernommen worden war. Leider
litten Sanguin und seine nunmehrige Frau, Känels Witwe, auch hier sehr
bald Schiffbruch. In einem Akte des Jahres 177g hören wir, daß Sanguin
und Kienlein vor kurzem zu handeln aufgehört nnd ihre Zahlungsunmöglich-
keit angezeigt hätten?" -
So traurig die Sache für die Beteiligten war, so komisch lesen sich heute
die (bei Fräulein Pimmer in Wien) darüber erhaltenen alten Schriftstücke.
Sanguin fällt es nicht auf, daß Kienlein, im Augenblicke, wo er verspricht, Geld
in das Geschäft einzulegen, ihn „anpurnpt"; er ahnt nichts, als Kienlein auf
Reisen geht, angeblich um Geld zu holen, in Wirklichkeit aber um heimlich
Waren zu verkaufen und zu belehnen und so als großer Herr auftreten zu
können. Es liest sich fast wie ein Lustspiel mit den herkömmlichen Typen
ü Keeß fährt an jener Stelle fort:
„Sie (die Penzinger Fabrik) kann als die Mutter aller größeren und kleineren Etablissements dieser Art,
die nach der Hand entstanden sind, betrachtet werden, und behauptet rllcksichtlich der Qualität und des unver-
kürzten Ellenmaßes ihrer Erzeugnisse noch immer diesen vorzüglichen Rang. Überdies errichtete sie im
Jahre 1788 zur Erzeugung der Floretbänder eine Floretspinnerey, von welcher aus die öffentlichen Versorgungs-
häuser mit Arbeit verlegt, und im Ganzen zoo Menschen beschäftigt wurden. Sie zog jedoch im Jahre 1808 die
Spinnerey wieder ein, da der Spinnlohn im Lande zu hoch gegen das Ausland stieg, um die Concurrenz mit dem
fremden Floretgame halten zu können. Die gegenwärtigen Besitzer der Fabrik sind zugleich auch Interessenten
und Directoren der Pottendorfer Baumwollgarn-Spinnfabrik."
Nebenbei bemerkt ist die Pottendorfer Spinnerei die älteste Baumwollspinnerei Österreichs. Ihre Begrün-
dung fällt in die Jahre r8or und r8oz; zu Beginn des Jahres 1804 waren in ihr schon zwei große Faktoreien mit
Wasserkraft im Betriebe. Berger war bereits an der Gründung und ersten Ausgestaltung beteiligt.
Wenn Wurzbachs„Biographisches Lexikon" berichtet: Berger„wendete nun [das heißt nach dem Jahre r8o6,
wo er Chef des ererbten Großhandlungshauses geworden war] seine ganze Aufmerksamkeit der früher von seiner
Familie in Penzing begründeten Seidenbandfabrik zu, welche die erste in Österreich war und durch welche dieser
Industriezweig in Österreich eigentlich ins Leben gerufen wurde", so erscheint uns dies mindestens ungenau.
Wurzbnch berichtet in dern ihm eigenen Stile auch noch weiter: „Berger beschäftigt in seiner Fabrik
stets 8-9110 Arbeiter. Diesem Verdienste verdankte er im Jahre rBrg die Erhebung in den Adelstand."
"" Eine „Generaltabelle" im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern (siehe Bujatti, a. a. 0., Seite 59H.)
gibt für das Jahr X772 die genaue Anzahl der Beschäftigten in allen mit der Seidenerzeugung zusammenhängenden
BetriebemVon „Schweizer-Band-Fabriken" sind genannt: Penzinger-Band-Fahrik, Karl Jahner inWien,Pozenhard
in Klosterneuhurg, Johann Lutz in Wien, Leopold Herbst in Wien, Friedrich Dörflinger in Wien, Bouvard und
Gaillard in Wien. Unter „Spitzen und verschiedenen Fabriken" finden wir x30 Posamentierer- und Bandmncber-
rneister (und Witwen). Auch wird hier die von uns bereits erwähnte Zeichnuugsakademie von Zeiß aufgezählt
(mit r Meister und 88 Schülern).
"f Es könnte nach dem Akte fast scheinen, als würde ihr- Unternehmen hauptsächlich als Seidenband-
handel aufgefaßt. Auch ist von der Absicht die Rede, zu untersuchen, ob sie die Seidenbiinder nicht durch
Schleichhandel bezogen hätten (6 ex Julio 77g).