MAK

Objekt: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

An unsere Freunde 
und Leser! 
Fördern Sie die Interessen der künst^ 
krischen Bildung! 
Empfehlen Sie die „Hohe Warte" in 
Ihren Kreisen, in den Lokalen, die Sie 
besuchen, in den Vereinen, denen Sie 
angehören. 
Senden Sie Adressen Ihrer Bekannten 
zur Beschickung mit Probenummern. 
Werben Sie Anhänger für die „Hohe 
Warte", die für alle Interessen der 
künstlerischen Kultur arbeitet. 
Arbeiten Sie in diesem Sinne mit uns, 
senden Sie Photographien, Berichte etc. 
zur Förderung der heimatlichen Kultur^ 
interessen. 
Fühlen Sie sich als Mitglied der freien 
Kulturgesellschaft, zu der alle An^ 
hänger der „Hohen Warte" gehören. 
Bilden Sie im Anschluß an die „Hohe 
Warte" Ortsverbände zur Förderung 
heimatlicher Kulturinteressen, im Sinne 
unseres Aufrufes in Heft 14, Jahr^ 
gang I, Seite 241. 
DIE VOLKSWIRTSCHAFT DES 
TALENTES. 
(Fortsetzung aus den Heften 21 und 22, 23 und 24, 25 und 26, 
Seite 353; bezw. 377, bezw. 401, Jahrg. I und Heft 1, Seite 2, 
Jahrg. II.) Der Ankauf würde reineren Motiven entspringen 
und tiefere Wirkungen üben. Die künstlerische Offenbarungs 
kraft des Menschen zu steigern ist kein Opfer zu groß, und 
alle sogenannte Verschwendung, die daran geübt wird, ist 
in Wahrheit Sparsamkeit und weise Anwendung, weil ein 
Wert dafür gewonnen oder gefördert wird, der als Kraft 
spender weiterwirkt. Dagegen ist alle heute übliche Sparsam 
keit, die solche Werte mit Geringschätzung ablehnt, der 
Ausdruck einer empörenden Verschwendung. 
Wir wissen gar nicht, wie viele Reichtümer durch die un 
sinnige Sparsamkeit verschwendet werden, indem wir die 
schöpferischen Fähigkeiten unentwickelt oder unerkannt ver 
kümmern lassen. Wir wissen gar nicht, wie viel Glückseligkeit 
und Daseinsfreude mit dem Spülwasser stumpfer Alltags 
gewohnheiten verschwemmt und verschüttet werden, weil 
wir den Offenbarungen kein Gehör geben wollen und mit 
dem gutem Willen schließlich auch die Fähigkeit dazu 
verlernt haben. Wenn ich mit dem Kaufmann, dem Arzt, 
dem Lehrer, dem Baumeister, dem Beamten von Kunst rede, 
wird er mich verstehen? Wenn ich ihm die Notwendigkeit 
seines Anteiles an der Kunst erweise, wird er mir glauben? 
Ist denn das, was er unter Kunst versteht, überhaupt Kunst? 
Haben wir es nicht in den letzten Jahren erlebt, daß die auf 
Sachlichkeit gegründete angewandte Kunst und Architektur 
verhöhnt worden ist auch von jenen, die kostbare Bilder 
kaufen und dem allgemeinen Niedergang des Kunstgewerbes 
gegenüber vollkommen empfindungslos bleiben? Daß auch 
jene Auserwählten in bezug auf Tisch, Stuhl, Schrank, 
Wohnhaus, Garten, Kleidung und sonstige Erscheinungen 
der formalen Kultur keine Ansprüche zu stellen haben und 
in allen diesen Lebensformen eine rohe Geschmacklosigkeit 
an den Tag legen, die man nicht einmal bei wilden Völker 
stämmen antrifft? Das Kunstempfinden, einst Gemeingut des 
Volkes und Grundlage der Volksarbeit und Volkswirtschaft, 
hat sich auf gewisse Kunstgebiete spezialisiert, ist Angelegen 
heit einer Minderheit von Menschen geworden und der Be 
griff einer Kunst, die in allen Dingen des Lebens als der 
notwendige formale Ausdruck das Bild einer harmonischen 
und einheitlichen Kultur gibt, hat aufgehört zu existieren. 
Die Kunst als das Selbstverständliche, als Gewerbe, als 
Äußerung des Talentes in jedwedem Geschäfte ist im gleichen 
Maße verkümmert als die Fähigkeit zur Kultur, das Unter 
scheidungsvermögen zwischen Gut und Schlecht, als der Begriff 
von Kunst als Gebrauchswert verkümmert ist. Und eine un 
mittelbare Folge dieser Verkümmerung ist der Rückgang 
des Volkswohlstandes, die Entwertung des Talentes, die Ver 
kennung der wahren Wertquelle, die Unterdrückung der 
Persönlichkeit, die Förderung des Spezialistentums, der Zerfall 
der Einheit in chaotische Trümmer und die äußere und innere 
Verarmung. Und doch hat man niemals so dringend nach 
17
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.