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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 137)

könnten andere Sitten haben. ln Folge dessen waren sie auch gezwungen, 
um jede Ungeschicklichkeit, jeden Verstoss möglichst hintanzuhalten, das 
Geräth selbst so zweckrnässig, so vollkommen wie möglich zu schaffen. 
So verdanken wir ihnen heute nicht nur eine Menge eigenthümlichen, 
höchst speciellen Speisegeräthes, an dessen Erfindung Andere niemals ge- 
dacht hätten, sondern die Formen ihrer Essbestecke sind auch entschieden 
die besten, die zweckmässigsten. Ob auch die schönsten, ist eine andere 
Frage; indessen im Allgemeinen ist auch das richtig, insoferne die gute 
Form aus der zweckmässigen hervorgehen muss. Das aber schliesst nicht 
aus, dass sie der Besserung bedarf und der Besserung fähig ist. 
Wie gesagt, ist das eigentlich niemals versucht worden, wenigstens 
bei uns nicht. Auch von anderswo erinnern wir uns keiner prägnanten 
Beispiele. Es geschieht daher zum ersten Male, dass uns die Fabrik von 
V. Mayers Söhnen das Beispiel eines vollständigen Essbestecks von 
jeder Art Gabel, Löffel und Messer vor Augen führt, das den Anspruch 
nicht blos zweckmässiger, sondern auch kunstgerechter Formen erhebt. 
Einer unserer berühmtesten Industriellen, der die Welt bereits mit so 
vielen schönen Werken seines eigenen Namens erfüllt hat, ist eigentlich 
ihr Urheber. Er hat die löbliche Sitte, nicht blos das Schöne zu ver- 
breiten, sondern auch sich selbst damit zu umgeben und etwas Eigenes 
zu haben. Das Resultat erscheint in der Hauptsache gelungen: die Formen 
sind zweckmässig, handlich (probatum est!) und höchst gefällig. Wenn 
etwas Anstoss erregt, so ist es vielleicht die unmotivirte Art, wie am 
Ende das Monogrammschildchen angebracht ist. 
Vereinzelt wie diese Erscheinung ist, steht auch in der Biiouterie, 
in den eigentlichen Schmuckarbeiten das Gute vereinzelt da. Und das ist 
nicht blos in der Weihnachts-Ausstellung der Fall, sondern es gilt wohl 
von diesem edlen und feinsten Kunstzweige überall in Oesterreich. Mit- 
unter tauchen einzelne, höchst glückliche Erscheinungen auf, aber sie ver- 
sinken wieder in Vergessenheit ohne nachhaltige Folgen, ohne den ganzen 
Zweig nach sich zu ziehen. Es fehlt an bestimmten und guten Rich- 
tungen, die sich bleibend erhalten; es fehlt an einem Manne, an einer 
Fabrik, die entschlossen vorwärts gehen und, wie es die Castellani mit 
ltalien gethan haben, im Stande sind, die ganze Bijouterie in Oesterreich 
in ihre Bahn fortzureissen. Achtbare Bestrebungen auf diesem Gebiete 
haben wir öfter zu bemerken gehabt und so auch auf dieser Ausstellung. 
Auch diesmal ist die Fabrik von V. Mayers Söhnen, die bisher immer 
eine Zierde der Weihnachts-Ausstellung bildete, wiederum mit einer Reihe 
zarter, höchst vollendet gearbeiteter Schmuckgegenstände erschienen, davon 
man jedes Stück mit Vergnügen betrachtet; aber was man vermisst, ist 
eben die bestimmte Richtung, der ausgeprägte Styl. Die Goldschmied- 
schule von Prag unter Leitung von O. Menzel hat uns einige hübsche, 
mit Email verzierte Gegenstände gesendet, aber sie liegen mehr im Genre 
des Geräthes als des Schmuckes, der wohl in Böhmen bei dem Reich-
	        
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