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über den Bau und das Grab, sind kaum ernst zu nehmen, nicht nur weil die kurze
und unruhvolle Herrschaft Peters ihm gewiß gar keine Zeit ließ, an ein Jahrzehnte
beanspruchendes Friedenswerk zu denken, sondern auch, weil man ungern glaubt, daß
dieselben Jahrhunderte, welche die Reste der großen und ruhmreichen Könige seit Stefan
dem Heiligen nicht bewahrt haben, gerade den Sarg des unwürdigsten geschont haben
sollten. Fünfhundert Jahre hindurch sind alle Könige Ungarns aus ihrem letzten Schlummer
gescheucht, und dieser Landstürzer sollte ruhig schlafen? Michael Haas hält, nach Koller,
denDomfnrälteren Ursprungs und ursprünglich für einerömische Veste,wahrend Henßlmann
den Bischof Calanus für den Erbauer und irgend einen Dijvner Mönch für den Bauleiter
hält, der auch dem Dom zu Dijon seine Ausmessungen und Motive entlehnt hat. Schon
diese Andeutungen lassen erkennen, daß die Geschichte des Domes eine ganze Literatur
hat, die sich theils mit Baranha und der Stadt Fünfkirchen insgesammt, theils, wie
die Arbeiten Henßlmann's, Gerecze's und Anderer, blos mit der Kirche beschäftigen. Gar-
häufig wird der Bau eine Beute von Feuer und Achtlosigkeit, Gewaltthat und Habgier;
Viele haben ihn gebaut und bauen ihn wieder auf, nenestens der gegenwärtige Bischof
Ferdinand Dulänßky, der das gewaltige Meisterwerk des Mittelalters, unter Beibehaltung
des Originalplanes, in den Prachtschmuck der Neuzeit gekleidet hat. Auf den vier schlanken
Thürmen, die bisher verstümmelt standen, glänzen nun hohe eherne Helme. Die Mauern
sind großentheils neu aufgeführt, die Katakomben von den durch unkundige Hände ihnen
aufgebürdeten Lasten befreit. Welche bauliche Veränderungen vorgenommen, nach welchem
Stil Altäre, Säulen, Spitzbogen, Fenster neu gestaltet wurden, das ist Gegenstand einer
besonderen Studie, wie deren im Laufe der Baizarbeit so manche in den Zeitungen und
auch selbständig erschienen sind? Wir wollen hier nur diejenigen berühren, die auch den
Unkundigen anregen und entzücken. Die südwärts schauende Fahnde ist mit zwölf Apostcl-
fignren, die Innenwände sind beiderseits mit Figuren, Gruppen, irdischen und himmlischen
Scenen aus der heiligen Schrift geschmückt. Es ist das Werk der Erlösung, vom Sündenfall
bis zur Kreuzabnahme. An den zur Krypta hinabführenden Treppen ist gleichfalls die
ganze Erlösungsgeschichte, von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht, in Gruppen,
welche die naive mittelalterliche Plastik getreu wiedergeben (Armenbibel), dargestellt.
Der Hochaltar (Baldachinaltar), der auf vier dunkelgrünen Marmorsäulen ruht, der
geschnitzte Bischofsstuhl, die Orgel und die übrigen Altäre sind lauter Kunstschätze, deren
jeder des Studiums Werth ist und die den Beschauer mit immer neuen Prächtigen Einzelheiten
überraschen, bis er, um nur die Augen ausruhen zu lassen, sie auf den mit farbigen
Tiroler Marmorplatten belegten Estrich heftet. Die Kosten der ganzen Neuschöpfung
werden auf drei Millionen Kronen geschätzt; allerdings steht auch das herrliche Gebäude
mit in erster Reihe unter den Kirchen von ganz Europa.