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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

DIE BESTIMMUNGEN DER ENGLISCHEN 
GESELLSCHAFT ZUR ERHALTUNG ALTER 
BAUWERKE. 
(Fortsetzung.) Die Hüter unserer alten Bau^ 
werke sind oft im Zweifel, welchen Standpunkt sie einnehmen 
sollen, wenn die Baudenkmäler, die sie beaufsichtigen, einer 
aufmerksamen Pflege bedürfen. Viele wünschen, daß nicht 
mehr getan werde, als notwendig ist, um die Bauwerke in 
der Struktur zu befestigen und sie für den Gebrauch, dem 
sie gewidmet sind, geeignet zu machen. In dieser Absicht 
wenden sie sich an Architekten, die in dem Rufe stehen, 
daß sie alte Bauwerke zu konservieren verstehen. In dem 
guten Glauben, daß alles nach bestem Wissen und Gewissen 
geschehen ist, bleibt ihrer Meinung nach die einzige Pflicht 
übrig, für die nötigen Geldmittel zu sorgen, um die Maß' 
nahmen des Architekten durchzuführen. Aber auf diese Weise 
sind viele alte Kirchen und andere Bauwerke in ihrem Wert 
als Kunst' und Geschichtsdenkmäler beeinträchtigt worden. 
Nicht weil die Hüter sie als derartige Denkmäler gering' 
schätzten, sondern weil sie die Angelegenheit dem Gutdünken 
eines einzelnen Architekten überließen. 
Die folgenden Andeutungen, die sich auf die praktische Er' 
fahrung der Gesellschaft gründen, werden deshalb mit der 
Absicht mitgeteilt, jene, welche die Frage nicht eingehend 
studiert haben, zu befähigen, zwischen Wiederherstellung 
und Erhaltung, zwischen nötiger und unnötiger Arbeit, gutem 
und schlechtem Materiale u. s. w. zu unterscheiden. Diese 
Andeutungen beruhen auf allgemeinen Grundsätzen; natür' 
lieh muß jeder Einzelfall den Umständen gemäß behandelt 
werden, denn es gibt kaum zwei Bauwerke, welche genau 
dieselbe Behandlung erfordern. Die empfohlenen Methoden 
sind solche, die von der Gesellschaft während eines 25jährigen 
Bestandes erprobt sind. 
DIE BEAUFSICHTIGUNG. Eines der wichtigsten Erforder' 
nisse für die Erhaltung alter Bauwerke ist die Beaufsichtigung. 
Die Architekten haben in den letzten Jahren immer mehr die 
Erfahrung gemacht, daß das gewöhnliche Arbeitspersonal 
nicht der beste Hüter des alten Schatzes ist. Diese Uber' 
zeugung hat die jüngeren Architekten dahin gebracht, die 
Erhaltungsarbeiten in Verbindung mit der Gesellschaft durch' 
zuführen; auf diese Weise ist ein sehr befriedigendes Zu' 
sammenwirken ermöglicht worden. 
Von den heutigen Werkleuten kann nicht erwartet werden, 
daß sie den künstlerischen und historischen Wert solcher 
Werke verstehen; wenn sie nicht richtig angeleitet werden, 
verrichten sie entweder unnützes Werk, weil sie nicht wissen, 
was notwendigerweise zu geschehen hat, oder sie zerstören 
unabsichtlich kostbare Altertümer. Wenn dagegen die Arbeit 
unter der persönlichen Leitung des Architekten an Ort und 
Stelle durchgeführt wird, so geschieht es mit möglichst ge' 
ringer Beeinträchtigung des ursprünglichen Zustandes und 
mit weniger Unkosten, als durch die gewöhnliche Methode 
der sogenannten Wiederherstellung verursacht wird, denn 
nur der Arbeitslohn und die Beaufsichtigung sind alsdann zu 
bezahlen. Obgleich ein Kostenüberschlag entworfen werden 
kann, bevor die Arbeit in die Hand genommen wird, kommt 
es immer vor, daß sich nachträglich mehr Schäden heraus' 
stellen, als sich voraussehen ließ. Nach der von der Gesell' 
schaft empfohlenen Methode gibt der mit der Arbeit betraute 
Architekt einen ungefähren Überschlag für jede einzelne 
Arbeit, er stellt die Werkleute an und läßt das erforderliche 
Material für Rechnung des Auftraggebers bringen, der auf 
diese Weise Gelegenheit hat zu sehen, wie sein Geld bei 
der fortschreitenden Erhaltungsarbeit verwendet wird. Der 
Architekt wird nach der Zeit entlohnt und nicht durch Tan' 
tièmen von den gesamten Unkosten. 
Die Reparatur alter Werke kann folglich nicht auf Grund 
eines Kontraktes ordentlich durchgeführt werden, weil ein 
solcher Kontrakt geschlossen wird, bevor die Arbeit beginnt, 
und weil jene, die den Kontrakt schließen, sich noch in Um 
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kenntnis über die wahre Natur der erforderlichen Arbeiten 
befinden müssen. Es ist dann eine unvermeidliche Folge, 
daß die Kosten entweder überschätzt werden, in welchem 
Falle der Auftraggeber mehr zahlt, als notwendig ist, oder 
daß die Kosten unterschätzt werden, zum Schaden des Bam 
meisters, der sich gewöhnlich dadurch schadlos hält, daß er 
die Reparatur nicht gründlich genug durchführt. Selbst wenn 
ein Kontrakt geschlossen wurde, können unvorhergesehene 
Mehrarbeiten sich als notwendig herausstellen, die der Bam 
meister in seinem Kontrakt nicht verzeichnet hat. Darum 
sind die Auftraggeber durchaus nicht, wie sie gewöhnlich 
glauben, durch einen Kontrakt vor den nachträglichen Er' 
höhungen der Kosten geschützt. Es ist sonach klar, daß die 
Reparaturen nicht auf Grund eines Kontraktes geleistet 
werden können. 
Die folgenden zwei Beispiele zeigen, wie ein Jahrhunderte 
alter Bau mit Erfolg behandelt und durchaus gesichert wurde; 
sie illustrieren zugleich die Wichtigkeit der persönlichen 
Beaufsichtigung und Leitung in bezug auf die unvorher' 
gesehenen Mehrarbeiten. Es muß angedeutet werden, daß 
der in der Fußbodenhöhe in die Mauer eingebettete Balken, 
wie im Durchschnitt ersichtlich, ursprünglich die innere Mauer' 
hälfte unterstützte. Nachdem er vollständig verfallen war, 
bestand die Gefahr, daß die Mauer an diesem Punkte ein' 
brechen würde; in der Tat hat eine Senkung dort bereits 
begonnen. Die Arbeit bestand nun zunächst darin, die Be' 
wegung aufzuhalten und die alte Fassade von unnötigem 
Gewicht und Druck zu befreien. 
Man wird uns zustimmen, wenn wir sagen, daß die erste 
Pflicht in der Erhaltung alter Bauwerke darin besteht, die 
richtige Struktur zu befestigen. Demgemäß haben wir diesen 
Teil unseres Themas zuerst betrachtet und fassen in zweiter 
Linie jene Arbeiten ins Auge, welche darauf abzielen, ein 
Gebäude für die ordnungsmäßige Ausübung des Gottesdienstes, 
oder für irgend einen anderen ursprünglichen Zweck, geeignet 
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