DIE BESTIMMUNGEN DER ENGLISCHEN
GESELLSCHAFT ZUR ERHALTUNG ALTER
BAUWERKE.
(Fortsetzung.) Die Hüter unserer alten Bau^
werke sind oft im Zweifel, welchen Standpunkt sie einnehmen
sollen, wenn die Baudenkmäler, die sie beaufsichtigen, einer
aufmerksamen Pflege bedürfen. Viele wünschen, daß nicht
mehr getan werde, als notwendig ist, um die Bauwerke in
der Struktur zu befestigen und sie für den Gebrauch, dem
sie gewidmet sind, geeignet zu machen. In dieser Absicht
wenden sie sich an Architekten, die in dem Rufe stehen,
daß sie alte Bauwerke zu konservieren verstehen. In dem
guten Glauben, daß alles nach bestem Wissen und Gewissen
geschehen ist, bleibt ihrer Meinung nach die einzige Pflicht
übrig, für die nötigen Geldmittel zu sorgen, um die Maß'
nahmen des Architekten durchzuführen. Aber auf diese Weise
sind viele alte Kirchen und andere Bauwerke in ihrem Wert
als Kunst' und Geschichtsdenkmäler beeinträchtigt worden.
Nicht weil die Hüter sie als derartige Denkmäler gering'
schätzten, sondern weil sie die Angelegenheit dem Gutdünken
eines einzelnen Architekten überließen.
Die folgenden Andeutungen, die sich auf die praktische Er'
fahrung der Gesellschaft gründen, werden deshalb mit der
Absicht mitgeteilt, jene, welche die Frage nicht eingehend
studiert haben, zu befähigen, zwischen Wiederherstellung
und Erhaltung, zwischen nötiger und unnötiger Arbeit, gutem
und schlechtem Materiale u. s. w. zu unterscheiden. Diese
Andeutungen beruhen auf allgemeinen Grundsätzen; natür'
lieh muß jeder Einzelfall den Umständen gemäß behandelt
werden, denn es gibt kaum zwei Bauwerke, welche genau
dieselbe Behandlung erfordern. Die empfohlenen Methoden
sind solche, die von der Gesellschaft während eines 25jährigen
Bestandes erprobt sind.
DIE BEAUFSICHTIGUNG. Eines der wichtigsten Erforder'
nisse für die Erhaltung alter Bauwerke ist die Beaufsichtigung.
Die Architekten haben in den letzten Jahren immer mehr die
Erfahrung gemacht, daß das gewöhnliche Arbeitspersonal
nicht der beste Hüter des alten Schatzes ist. Diese Uber'
zeugung hat die jüngeren Architekten dahin gebracht, die
Erhaltungsarbeiten in Verbindung mit der Gesellschaft durch'
zuführen; auf diese Weise ist ein sehr befriedigendes Zu'
sammenwirken ermöglicht worden.
Von den heutigen Werkleuten kann nicht erwartet werden,
daß sie den künstlerischen und historischen Wert solcher
Werke verstehen; wenn sie nicht richtig angeleitet werden,
verrichten sie entweder unnützes Werk, weil sie nicht wissen,
was notwendigerweise zu geschehen hat, oder sie zerstören
unabsichtlich kostbare Altertümer. Wenn dagegen die Arbeit
unter der persönlichen Leitung des Architekten an Ort und
Stelle durchgeführt wird, so geschieht es mit möglichst ge'
ringer Beeinträchtigung des ursprünglichen Zustandes und
mit weniger Unkosten, als durch die gewöhnliche Methode
der sogenannten Wiederherstellung verursacht wird, denn
nur der Arbeitslohn und die Beaufsichtigung sind alsdann zu
bezahlen. Obgleich ein Kostenüberschlag entworfen werden
kann, bevor die Arbeit in die Hand genommen wird, kommt
es immer vor, daß sich nachträglich mehr Schäden heraus'
stellen, als sich voraussehen ließ. Nach der von der Gesell'
schaft empfohlenen Methode gibt der mit der Arbeit betraute
Architekt einen ungefähren Überschlag für jede einzelne
Arbeit, er stellt die Werkleute an und läßt das erforderliche
Material für Rechnung des Auftraggebers bringen, der auf
diese Weise Gelegenheit hat zu sehen, wie sein Geld bei
der fortschreitenden Erhaltungsarbeit verwendet wird. Der
Architekt wird nach der Zeit entlohnt und nicht durch Tan'
tièmen von den gesamten Unkosten.
Die Reparatur alter Werke kann folglich nicht auf Grund
eines Kontraktes ordentlich durchgeführt werden, weil ein
solcher Kontrakt geschlossen wird, bevor die Arbeit beginnt,
und weil jene, die den Kontrakt schließen, sich noch in Um
SECTION THRCUO-1 CMANCEL SHEWINC WALL
OSER ARGH STRENCTHOSEXI AND REPAIRED.
iLi_L
$' t 7 6* 9’ 'ö y' Ol 'S' *■ '7,
J I 1 ■■ I A X 1 — I ■■ ,1 J
<*■ »’ker.
kenntnis über die wahre Natur der erforderlichen Arbeiten
befinden müssen. Es ist dann eine unvermeidliche Folge,
daß die Kosten entweder überschätzt werden, in welchem
Falle der Auftraggeber mehr zahlt, als notwendig ist, oder
daß die Kosten unterschätzt werden, zum Schaden des Bam
meisters, der sich gewöhnlich dadurch schadlos hält, daß er
die Reparatur nicht gründlich genug durchführt. Selbst wenn
ein Kontrakt geschlossen wurde, können unvorhergesehene
Mehrarbeiten sich als notwendig herausstellen, die der Bam
meister in seinem Kontrakt nicht verzeichnet hat. Darum
sind die Auftraggeber durchaus nicht, wie sie gewöhnlich
glauben, durch einen Kontrakt vor den nachträglichen Er'
höhungen der Kosten geschützt. Es ist sonach klar, daß die
Reparaturen nicht auf Grund eines Kontraktes geleistet
werden können.
Die folgenden zwei Beispiele zeigen, wie ein Jahrhunderte
alter Bau mit Erfolg behandelt und durchaus gesichert wurde;
sie illustrieren zugleich die Wichtigkeit der persönlichen
Beaufsichtigung und Leitung in bezug auf die unvorher'
gesehenen Mehrarbeiten. Es muß angedeutet werden, daß
der in der Fußbodenhöhe in die Mauer eingebettete Balken,
wie im Durchschnitt ersichtlich, ursprünglich die innere Mauer'
hälfte unterstützte. Nachdem er vollständig verfallen war,
bestand die Gefahr, daß die Mauer an diesem Punkte ein'
brechen würde; in der Tat hat eine Senkung dort bereits
begonnen. Die Arbeit bestand nun zunächst darin, die Be'
wegung aufzuhalten und die alte Fassade von unnötigem
Gewicht und Druck zu befreien.
Man wird uns zustimmen, wenn wir sagen, daß die erste
Pflicht in der Erhaltung alter Bauwerke darin besteht, die
richtige Struktur zu befestigen. Demgemäß haben wir diesen
Teil unseres Themas zuerst betrachtet und fassen in zweiter
Linie jene Arbeiten ins Auge, welche darauf abzielen, ein
Gebäude für die ordnungsmäßige Ausübung des Gottesdienstes,
oder für irgend einen anderen ursprünglichen Zweck, geeignet
62