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DIE AUSSTELLUNG VON GOLDSCHMIEDE-
ARBEITEN IM SCHLESISCHEN MUSEUM
FUR KUNSTGEWERBE UND ALTERTUMER
IN BRESLAU 50' VON EDUARD WILHELM
BRAUN-TROPPAU .56-
AS Breslauer Museum hat von Beginn des Oktober
bis gegen Mitte Dezember 1905 eine Ausstellung
von Goldschmiedearbeiten schlesischenUrsprungs
oder aus schlesischem Privatbesitz veranstaltet,
die als eine der wichtigsten ihrer Art zu bezeich-
nen ist und die der Wissenschaft eine Menge neuer
Aufschlüsse und Probleme gewährte. Zunächst
wollte sie die gesamte künstlerische Entwick-
lung der schlesischen Goldschmiedekunst in ihren
verschiedenen Zentren, in erster Linie natürlich
in Breslau, zusammenstellen, dann aber auch die
im schlesischen Privatbesitz befindlichen außerschlesischen Arbeiten mit-
teilen. Die Fülle des Materials war eine außerordentliche und der von
dem ersten Direktor des Museums Dr. Karl Masner und seinen Assi-
stenten Dr. Hintze und Dr. Buchwald verfaßte Katalog zählt gegen tausend
Nummern.
Schlesien war ein Land mit vortrefflichen Goldschmieden und speziell
die Breslauer Arbeiten haben seit dem späten Mittelalter ein ausgesprochen
lokales und eigenartiges Gepräge, das sie dem geübten Auge sofort als
solche erkennen läßt. Gleich zu Beginn des XVI. ]ahrhunderts begegnet
uns ein bedeutender moderner Meister, Oswald Rothe, der stark unter
dem Einfluß der Stiche Schongauers und Dürers steht und auch die
Formen der jungen Renaissance kannte. Zur selben Zeit wirkte ein Meister,
von dem in der Kreuzkirche zwei Kreuzreliquien und das Kopfreliquiar
der heiligen Hedwig erhalten sind (Kat. Nr. 126), die von packender groß-
zügiger Einfachheit zeugen.
Die Blütezeit der Spätrenaissance bezeichnen Meister Jochen I-Iiller,
der kräftige Schöpfer der prächtigen Profanwerke, des Kaiserpokals, der
beiden humorvollen Büttenmänner und der zwei reizenden Salzfässer in
Form von als Truthühner gefaßten Muscheln, und die beiden Nitsch, die
hauptsächlich für den Domschatz arbeiteten und von denen der Jüngere seine
Gesellenzeit in Nürnberg verbrachte.
Ein Meister der plastischen Gestaltung in seiner Kunst war Caspar
Pfister (tätig 1598 bis 1635), der Sohn eines süddeutschen Bildhauers,
welcher den auf dem Höllenrachen stehenden auferstandenen Christus mit
Krone und Reichsapfel, die Rechte segnend erhoben, geschaffen hat (Bres-
lauer Domschatz (Kat. Nr. 216).
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