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Porträte, haben hier Platz gefunden. Die ausgezeichnete Raumregie von Peter Behrens
machte die weiten Säle zu einer Komposition von Kojen und Kabinetten; geschickte Ein-
bauten, Wand- und Nischenbildungen schaffen gesammelte Stimmungen. Die Wände sind
licht bespannt, an ihnen hängen in gewählter ökonomischer Verteilung die Bilder, meist
im Rahmen der Zeit. Und auf Längstafeln mit abgeschrägten Pultfiächen liegen besichti-
gungsbequem die ungerahmten Blätter unter Glas.
Eine ruhevolle, kunstreinliche Atmosphäre herrscht hier.
Ein stimmungsvolles Vorspiel gibt die altmodische Porträtgalerie der ersten Zimmer.
Berliner Bildnismalerei vor hundert Jahren zeigt sie, zumeist vereinigt mit Straßenszenen
und Architekturansichten des alten Berlin. Das fesselt alle, die den feinschmeckerischen
Sinn für Vergangenheiten haben, außerordentlich.
Liebliche Biedermeierstimmung ist in den Bildern der Männer und Frauen. Die
Männer tragen die kurztailligen Schlußröcke mit den faltigen, weitfallenden Glocken-
schößen, den engen, langen Ärmeln und dem hohen, weichgerollten Kragen, die bunten
blauen und grünen doppelreihigen Westen mit den breiten Klappen und das zweifach um
den Hals in kunstvoller Schleifung geknüpfte Tuch.
Die Mädchen blühen in Almanach-Empfindsamkeit: Freischütz-Brautjungfem, die den
Kranz mit veilchenblauer Seide winden. Und veilchenblau sind ihre Augen und meist auch
veilchenblau die luftigen Gewänder.
Franz Krüger ist der liebenswürdige Meister solcher Porträte.
Ein verwandtes Klima weht bei den Altwiener Bildnissen:
Alt malt die Zuckerbäckerin Luise Flach mit ihrer Tochter; geblümte Häubchen,
Spirallocken über den Ohren, Bindebänder, gepuffte Ärmel schmücken die Figurinen.
Peter Fendi hält im Bilde niedliche Jüngferchen fest, die ihre Blumentöpfe begießen oder
schmachtende Tüchlein sticken.
Die reizendste Bühne solcher Kulturbijoux ist dann das ovale Gemach, in dem
stimmung- und aromaschaEend zierlich spinnbeiniges Mobiliar, eine Sophabank und
Stühlchen mit Durchbruchlehnen stehen, passend zu der Miniaturwelt der Medaillen-
bildchen auf Elfenbein, die hier im Glaskästchen hängen. Auch hier blüht Altwien mit
Kriehubers und Waldmüllers Grazie.
Und feinschmeckerisch berühren die Bildchen von Wilhelm Böttner, dem Schüler
Tischbeins. Seine preziösen Reifrockschönen in Blaßblau mit den Gainsborough-Hüten
oder in duftigem Mull über einem rosa Unterkleid und der Florentiner Wippe sind die
Musen und Grazien jener Geschmackskunst, die heute Karl Walser, der Russe SomoFf und
die ihnen verwandten Stiltemperamente pflegen.
Ein Interieurvorbild für solche Art ist auch das Stübchen, das man hier von Karl
Blechen gemalt sieht.
In sanftem Himmelblau leuchten seine Wände, weißer Mull hängt vor den
Fenstern. Und Mahagonimöbel stehen darin; ein Schreibspind mit treppenförmigem
Aufsatz, ein ovaler Tisch mit blumengemalter Platte, zierlich gegitterte Stühlchen, ein
tafelförmiges Klavier - ein Ensemble wie für den dritten Akt von Hoffmanns Er-
zählungen.
Andere kulturelle Kuriositäten sieht man in den Schildereien Theodor Hosemanns,
des E. Th. A. Hoffmann-Illustrators. Er malt Altberliner Sonntagsvergnügungen, im Bier-
garten vor den Toren, wo die Familien Kaffee kochen.
Solche gemütliche Spießbürgerlichkeiten macht sehr lustig auch Johann Peter
Hasenclever lebendig. Ein malerischer Dickens ist er, deutsche Pickwickier, Klein-
städterei und Philisterium setzt er drastisch hin. Und voll humorhafter Charakteristik
sind diese Schachspieler, die Zeitungstiger in dem Lesekabinett, die politischen Kanne-
gießer, die alle in ihren Temperamentsverschiedenheiten dargestellt werden: dünne
Choleriker, dicke stumpfsinnserstickte Phlegmatiker, schnauzbärtige Polterer, ver-
bissene, grimassierende Nörgeler - eine Menschenmenagerie.