Wiener Vormärz schon früher
manche interessante Untersuchung
abgewonnen und zum Teil auch in
diesen Blättern veröffentlicht. Die-
sem Bilderschatz hat er nun aber
einen Text beigegeben, der den
Tagebüchern eines Wieners von
damals entnommen ist oder sein
soll. Er erinnert jedenfalls an die
Rosenbaumschen in der Hof biblio-
thek. Man liest da die Aufzeich-
nungen eines jungen Kaufmanns,
der in damaliger Art lebend und
leben lassend, überall dabei ist und
sich von allem eine Meinung zu
machen sucht. Die großen und klei-
nen Tagesneuigkeiten der Zeit, von
Degens Flugmaschine und dem
Auftreten der Catalani bis zu der
neuen Klassen- und Personsteuer,
von der Premiere des „Wilhelm
Tell" bis zu einem Diner bei der
„herrlichen" Koberwein, der Maria
Stuart des Tages, ist da ein ganzes
lokales Panorama aufgerollt. Der
Schreiber geht aber auch gewis-
iug
Deckelterrine,
Wiener Porzellan vor der Marke (K. k. Österreichisches Museum)
senhaft in die Messe und notiert sich aus den Zeitungen allerlei wissenschaftliche und
technische Neuigkeiten oder auch ein geistreich gemeintes Epigramm. Und zwischendurch
hat er seine kleinen Amouren, die er mit der ganzen ehrlichen Empfmdsamkeit der Zeit
absolviert und sich in obligater Weise abwechselnd glücklich und unglücklich fühlt. So
ist in der Tat etwas von einem Hauche der damaligen Wiener Luft in diesen Blättern zu
spüren, sie geben in anspruchsloser Weise ein Stimmungsbild aus der Großväterzeit.
KLEINE NACHRICHTEN 50-
MÜNCHENER JAHRBUCI-I DER BILDENDEN KUNST. Das neue
Münchenerjahrbuch der bildenden Kunst," in ähnlicher Weise angelegt und gedacht
wie Koetschaus vortreßliches Dresdener Kunstjahrbuch, ist ein erfreuliches Zeichen von
der Stärke des Interesses für kunstgeschichtliche Studien in München. Die Gründung des
Museumvereins in der Art des Berliner Kaiser Friedrich-Museumvereins war schon ein
bedeutsames Sympton hiefür. Im engen Anschluß an die Münchener öffentlichen und
Privatsammlungen ist die Zeitschrift gedacht. Auch bedeutsame Erscheinungen der
modernen Münchener Kunst und wichtige Kunstfragen sollen besprochen werden. Im
vorliegenden sympathisch anmutenden ersten Bande hat denn auch unter anderen Adolf
Hildebrand „Zur Museumsfrage" gesprochen und der Herausgeber über das Münchener
Schützenfest von 1906 berichtet. Der kurze Aufsatz Hildebrands ist sehr interessant als
Äußerung eines der begabtesten modernen Bildhauer und auch seines Inhalts wegen. Er
regt an, in den Museen in einem bestimmten Raume neben alten Kunstwerken zum Ver-
i" Münchener jahrbuch der bildenden Kunst. Herausgegeben von Ludwig Buerkel. Band I, 1906.
München. Verlag Georg D. W. Callwey.
15