am meisten durch seine coloristische Begabung aus. Farben von barbarischer
Kraft sind in seinen Gemälden zu den wunderschönsten Harmonien ver-
bunden, und zwar machen diese Harmonien nie den Eindruck des Gesuchten,
der so charakteristisch für die englische, akademische Malerei ist, sondern
den des direct und instinctiv Empfundenen. Denn Moira ist nie kalt be-
rechnend; er hat ein entschiedenes Temperament. Wenngleich die Stoffe
seiner Bilder meist den englischen Poeten entlehnt sind, sind sie doch in
erster Linie Gemälde, deren Wirkung auf Farbe und decorativer Massung
von Flächen beruht, und nicht colorirte Illustrationen. Moiras Thätigkeit ist
keineswegs auf Staffeleigemälde und Farbenreliefs beschränkt, denn er hat
sich auf den verschiedensten Gebieten decorativer Kunst versucht.
Besonders erfolgreich sind seine Glasmalereien, die stets ein gründliches
Verständnis des Materials und des Zweckes bezeugen. Momentan ist er mit
einigen grossen Cartons für die Decoration der Bibliothek der Unitarier-
kirche in Liverpool beschäftigt. Das Motiv ist eine Allegorie: Die Zeit befreit
die Wahrheit von den Cardinallastern (Unwissenheit, Verleumdung, Unduld-
samkeit und Neid). Wir sind in der angenehmen Lage, den Lesern von
Kunst und Kunsthandwerk zwei Studien für diese Cartons vorführen zu
können. Merkwürdigerweise hat Moira auch von officieller Seite ein Zeichen
der Anerkennung gefunden, indem ihm trotz seines jugendlichen Alters vor
ganz kurzer Zeit die Professur für Malerei im Royal College of Art in South
Kensington zuertheilt wurde. Sein Beispiel dürfte den wohlthätigsten Einfluss
auf die aufwachsende Generation englischer Künstler haben.
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 50' VON
LUDWIG HEVESI-WIEN 50.
ÜNSTLERHAUS. Die XXVIII. ]ahresausstellung der Künstlergenossenschaft füllt
mit ihren 674 Nummern das ganze Künstlerhaus. Sie ist sehr mannigfaltig und weist
auch einige ganz besondere Züge auf. So haben wir schon im vorigen Hefte die Kunst-
werke schildern können, die sich auf die Kaisertage des Jubeljahres beziehen. In diesen
Spielt das Porträt naturgemäss eine grosse Rolle. Aber auch sonst ist das Bildnis ein Glanz-
punkt der Ausstellung. Lenbach und Läszld entfalten ihre volle Meisterschaft. Von
Lenbach sieht man unter anderem ihn selbst, sitzend, die warmen Augen durch die
Brille auf den Beschauer geheftet; ein silberblondes Töchterchen schmiegt sich an den
Vater. Die ausserordentliche Einfachheit, mit der dieses Meisterbild gemacht ist, scheint
kaum glaublich. Mit ein paar Wischem und Höhungen ist der Kopf gegeben, dessen Teint,
Haar und Bart aus dem wohligsten Halbschatten bis zur vollsten Plastik hervor-blühen.
Vollends ist das kleine Mädchen daneben nur ganz leicht, mit wenigen weichen Zügen
hingeschrieben, wie eine helle Randzeichnung, und mit zwei oder drei Farbenpointen von
der Palette des Velasquez illuminirt. Aufsehen erregt auch der merkwürdig exotische
Porträtkopf der Gräfin Moy, dessen Polychromie die satte Verblichenheit einer uralten
indischen Elfenbeingottheit hat. Von Laszlö sieht man vier weibliche Bildnisse aus vor-
nehmer Sphäre, jedes anders arrangirt und gestimmt. Sein Reichthum an Varianten ist in
der That gross, man hat den Eindruck, als wiederhole er sich nie, was man von Lenbach