IN ARBEITERHEIM. Der Verein „Arbeiterheim" hatte eine Preisbewerbung
für ein Vereinshaus in Favoriten (Laxenburgerstrasse Nr. 8) ausgeschrieben.
Bedingungen waren: ein grosser, in drei Theile theilbarer Versammlungssaal, im Parterre
Räume für den Consumverein und die Restauration, im Mezzanin Bureaux, die oberen
Stockwerke Mietwohnungen, die dann nach Bedarf auch Vereinszwecken zugeführt
werden, schliesslich ein Garten. Bausumme etwa 200.000 Kronen. Also ein Gebäude wie
das Gewerkschaftenhaus in Berlin, die „Maison du travail" in Paris und die „Maison du
peuple" in Brüssel. Die Bewerbung war sehr lebhaft, es liefen 39 Entwürfe ein, lauter
jugend, selbstverständlich das Meiste ganz modern. Den ersten Preis erhielt Hubert
Gessner (Wagner-Schule). Sein Entwurf ist knapp zusammengefasst, übersichtlich und
praktisch. Er verlegt im Vorderhause drei Säle übereinander, deren mittlerer als Vestibule
und Garderobe dient, also ungefähr wie im Leipziger Gewandhause. Dadurch erübrigt er
rückwärts ein ansehnliches Stück Terrain für den Garten. Der Wohntheil des Hauses liegt
um zwei runde Treppen herum, hat aber zu kleine Lichthöfe, was den Bauvorschriften
zuwiderläuft. Die Facade ganz modern, mit einfach eingeschnittenen Fenstern, aber
farbigem Flächenschmuck und einiger Metallverzierung. Die Baukasten betragen aller-
dings 300.000 Kronen, was das Project unausführbar macht. Zur Ausführung dürfte also
der zweite Preis gelangen, vom König-Schüler Ernst Diettrich, Ingenieur im Baudeparte-
ment des Ministeriums des Innern. Er ist der Erbauer des anatomischen Instituts auf der
Währingerstrasse. Das Charakteristische seines Projectes ist, dass er den Saalbau ans
Ende der Facade verlegt und ganz vom Wohntracte trennt, mit eigenem Eingang. versieht
und oben mit einer hübschen Kuppel von modernisirten Barockformen krönt. Der grosse
Saal hat einen Seitengang mit Pfeilern und Veranda gegen den Garten hin. Die Facade hat
modernen Linienschmuck und mannigfaltige Fensterbildung Den dritten Preis erhielt ein
sehr Junger, Hans Maier (Wagner-Schule). Facade echt wagnerisch, mit viel Roth und
Gold, was die Arbeiter wohl reduciren würden. Sehr hübsch ist der Saal mit seiner Galerie,
der ein imposantes Amphitheater bildet. Verfehlt ist der lange, gewundene Weg zum Saale,
z. B. auch von der Küche her, was warme Speisen unmöglich machen würde. Auch sind
die Eingänge zum Saal und Garten nicht markirt. Noch zwei Entwürfe wurden zum Ankaufe
empfohlen: einer von Bauer, mit blauen Kacheln an der Facade und manchem beachtens-
werten Detail, der andere von Matauschek, mit gleichfalls interessanter Facade, der
Garten leider zu eng und als Hofraum in die Mitte gelegt. Unter den übrigen Entwürfen fiel
einer von Moritz Schieder auf, mit hübscher heiterer Facade, der Garten auf das flache Dach
verlegt. Im ganzen war also die Preisausschreibung erfolgreich und kannals Symptom dienen,
wie das neue Geschlecht in einer auch künstlerisch annehmbaren Zweckkunst aufwächst.
KLEINE NACHRICHTEN 50
IEN. ERWERBUNGEN DER KAISERLICHEN SAMMLUNGEN lMjAl-IRE 1900.
Auch für das abgelaufene Jahr sei, wie in den vorangegangenen zwei Jahren, in
diesen Blättern eine Übersicht jener Zuwendungen und Acquisitionen der kaiserlichen
Sammlungen gegeben, welche künstlerisches oder kunstgewerbliches Interesse bieten.
Für die ÄGYPTISCHE SAMMLUNG wurden aus den Theodor GraFschen
Funden aus Balansurah in Oberägypten die vergoldete Mumienrnaske einer Frau mit
gläsernen Augen und ein Stück eines Mumienkastens, gleichfalls mit dem Bildnisse einer
Frau in reichem Schmucke (abgebildet im Archäologischen Anzeiger des Jahrbuches des
Deutschen Archäologischen Institutes, Band IX, Seite x78), beide aus römischer Zeit,
erworben.
Aus demZuwachse derANTIKENSAMMLUNGsei nurdasWichtigsteherausgehoben:
Zunächst einige griechische (attische) Thongefässe: eine kleine, fusslose Schale
(Durchmesser zrxo Meter) mit einem plastischen Omphalos in der Mitte, um den in radialer