vielfach verklausulierten und kühlen Anerkennungen der zeitgenössischen Fachkritik als
das richtigere erwiesen und ist trotz der in den letzten Iahrzehnten vielfach lautgewor-
denen säuerlichen Einschränkungen von gelehrter Seite bei den wahrhaft Gebildeten
immer noch gültig.
Heyses Auffassung wurde zunächst von dem Geographen Spruner geteilt: an ihm
habe Burckhardt, heißt es in demselben Briefe, „einen sehr hitzigen Bewunderer gefunden":
„das ist ein schweres Buch", habe er einmal übers andere gerufen. Nun waren sowohl
I-leyse, der ein gelernter Romanist war und auch einen Band „romanischer Inedita" heraus-
gegeben hat, ebenso wie Spruner immerhin Leute, die vom gelehrten Handwerk etwas
verstanden haben; indes werden aber diejenigen nicht ganz unrecht haben, die sie als
Dilettanten nicht zu den berufensten Beurteilern des Werkes zählen werden; uns ist aber
dies wieder ein Beweis, daß für den eigentlichen Wert und das wahrhaft Dauerhafte, das
in einem Buche steckt, in der Regel nicht die gelehrte Fachkritik den feinsten Geruch
besitzt - in der Regel: Ausnahmen wollen wir natürlich nicht bestreiten, wie es ja auch
heute sehr gelehrte Fachmänner gibt - so Karl Neumann, Walter Götz, Brandi - die das
Heysesche Urteil mit unwesentlichen Einschränkungen höchstwahrscheinlich auch heute
noch gelten lassen werden; wenigstens haben sie in den oben erwähnten Chor der Ver-
kleinerer niemals eingestimmt. Ganz besonders aus unserer Seele heraus gesprochen ist,
was Heyse - und damit stand er wohl lange Zeit allein _ über die Form des Buches
sagt: „leichtschenklich, rasch, mit Lichtern sparsam" - wir meinen, daß das, was uns
heute an dem Stil Burckhardts entzückt, nicht besser ausgedrückt werden kann. Burck-
hardt selbst war mit dem Buche, wie das ja fast jedem Künstler mit seinem Werke so geht,
durchaus nicht zufrieden. Bald nachdem es erschienen war, kam Heyses „Italienisches
Liederbuch" mit einer Widmung an den Freund nach Basel und nun war die Freude an
diesem: „Das Büchlein", schreibt er am 16. November 1860, „habe ich heute in meinem
erschütterten Gemüth an manchen Stellen angelesen und bin einstweilen schon deshalb
betroffen, weil ich sehe, wie viel mir noch fehlt, um die wahre Signatur des italienischen
Geistes zu kennen. Mir ist, ich müßte jetzt viele Stellen meines Buches ausmerzen und
umschreiben; ich muß blind gewesen sein, um die ganz spezielle Verschmelzung von
Geist und Leidenschaft nirgends in meinen bisherigen Studien so zu erkennen, wie
diese Liedersammlung so handgreiflich olTenbart. Aber da schreibe einmal Einer Cultur-
geschichte, wenn man keinen Menschen um sich hat, der Einen aufrüttelt und in die
Ohren kneiü. . . Was ich Gutes habe, das habe ich doch am ehesten von Kugler, der
auch in vielen Gebieten, wo er nur Dilettant war, die Ahnung aller wesentlichen Interessen
hatte und zu wecken verstand. Mein Gott, wie genügsam sind selbst die meisten großen
Specialgelehrten im Vergleich mit ihm! Ein panoramatischer Blick wie der seinige war,
würde sie freilich nur stören und ihnen ihre Sorte von Arbeit verleiden. Und was er
für ein Specialgelehrter in seinen eigentlichen Fächern war, das belieben sie zu ignorieren.
Genug von Sollichen! Sie werden es meinem Buch ebenso machen und ich und mein
Verleger sind darauf gerüstet. Billige Leute von einigem ,Grütz' werden vielleicht dafür
zugeben, daß dieses Buch aus innerer Notwendigkeit geschrieben werden mußte, auch
wenn die Welt keine Notiz davon nimmt."
Franz Kugler war am I8. März 1858 im Alter von nur 50 Jahren gestorben und
hatte sowohl die dritte Auflage seines Handbuches der Kunstgeschichte (erste Auflage
1841), von der bloß der erste Band (1856) erschienen war, wie eine neue, groß angelegte
Geschichte der Baukunst unvollendet zurückgelassen. l-leyse, der Schwiegersohn des
Verstorbenen, hätte nun ebenso wie dessen Verleger Ebner sehr gern gesehen, wenn
Burckhardt, der schon die Umarbeitung der zweiten Auflage des Handbuches besorgt
hatte, die Fortsetzung und Vollendung dieser Werke auf sich genommen hätte. Schon am
28. März 1858 schrieb er ihm in diesem Sinne. Burckhardt lehnte zuerst entschieden ab:
„Alles erwogen, kann ich dieArbeiten ganz unmöglich übernehmen." Sollte sich gar niemand
anderer dazu finden - er denkt, „wenn Lübke nicht will", an Springer oder Eggers (Heraus-
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