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Volltext: Monatszeitschrift XX (1917 / Heft 6, 7 und 8)

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kündet: „O! laß mich noch lange diesen theuren Lebensfaden spinnen!" 
(Abb. 10 und n.) 
Besonders aber wird die Berliner Tasse nicht müde, die Heldentaten 
und losen Streiche des Knaben Amor zu schildern. Pfeil und Bogen sind 
seine Waffen und die Sinnbilder seines schnellen Sieges. Auch die Fackel 
führt er, mit der er die Herzen entflammt, und das betörende Saitenspiel. 
Er begeistert zu herrlichen Taten und verführt zu furchtbaren Verbrechen. 
Niemand kann seiner Allgewalt widerstehen. Der größte Heros des grie- 
chischen Mythus wird ihm untertan, er entwindet ihm seine Keule. Den 
Löwen lenkte er an seiner Mähne. Dann wieder spielt er unter Blumen, 
ritzt sich den Finger an einer Rose und kommt klagend zur Venus. Bald 
schlummert er, zur Seite Köcher und Bogen, bald haschen ihn Nymphen, 
binden ihn mit Kränzen und Blumen und fordern das Lösegeld. Dann 
wieder ist er frei, und sie zittern vor dem flüchtigen Knaben. Kurz, die 
Motive, die die Lyrik und ihr folgend die bildenden Künste des XVIII. Jahr- 
hunderts mit Vorliebe aus den Oden des Anakreon schöpften, finden wir 
auch auf der empiindsamen Tasse wieder. Ein besonders reizvolles Beispiel 
dieser Gattung zeigt die Tasse der Sammlung Foerster (Abb. 12), die die 
vierzigste Ode des Anakreon illustriert, welche ein deutscher Rokokodichter, 
F. W. Löwen, unter dem Titel „Der Bienen-Stich" in folgende Reime 
gebracht hat: 
„O Schmerz, den Amor fühlte, 
- Als er mit Rosen spielte; 
Und den, als er die schönste brach, 
Ein Bienchen in die Finger stach. 
Schnell flog aus seinem Munde 
Ein Seufzer. Sieh die Wunde! 
Ach liebe Venus! Heile mich 
Von dem vermaledeyten Stich. 
Macht dir, rief sie mit Scherzen, 
Ein Bienenstich die Schmerzen; 
So denke, Bube! denke dran, 
Wie tief dein Pfeil verwunden kann." 
Ein vielteiliges Kaffeeservice der Großherzogin Alexandrine von 
Mecklenburg-Schwerin, dessen auf Entwürfe von dem Berliner Maler und 
Kupferstecher A. Wachsmann zurückgehende, durch Unterschriften erklärte 
Darstellungen in der Tasse der Abb. 13 teilweise wiederholt sind, erzählt 
die ganze Lebensgeschichte des bald starken, bald schwachen, scheuen 
und mutigen, blinden und scharfsinnigen Genius der Liebe. Und eine Tasse 
des Hohenzollem-Museums zeigt ihn endlich in qualvoller Gefangenschaft 
hinter dem Gitter seines Kerkers (Abb. 14).
	        
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