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kündet: „O! laß mich noch lange diesen theuren Lebensfaden spinnen!"
(Abb. 10 und n.)
Besonders aber wird die Berliner Tasse nicht müde, die Heldentaten
und losen Streiche des Knaben Amor zu schildern. Pfeil und Bogen sind
seine Waffen und die Sinnbilder seines schnellen Sieges. Auch die Fackel
führt er, mit der er die Herzen entflammt, und das betörende Saitenspiel.
Er begeistert zu herrlichen Taten und verführt zu furchtbaren Verbrechen.
Niemand kann seiner Allgewalt widerstehen. Der größte Heros des grie-
chischen Mythus wird ihm untertan, er entwindet ihm seine Keule. Den
Löwen lenkte er an seiner Mähne. Dann wieder spielt er unter Blumen,
ritzt sich den Finger an einer Rose und kommt klagend zur Venus. Bald
schlummert er, zur Seite Köcher und Bogen, bald haschen ihn Nymphen,
binden ihn mit Kränzen und Blumen und fordern das Lösegeld. Dann
wieder ist er frei, und sie zittern vor dem flüchtigen Knaben. Kurz, die
Motive, die die Lyrik und ihr folgend die bildenden Künste des XVIII. Jahr-
hunderts mit Vorliebe aus den Oden des Anakreon schöpften, finden wir
auch auf der empiindsamen Tasse wieder. Ein besonders reizvolles Beispiel
dieser Gattung zeigt die Tasse der Sammlung Foerster (Abb. 12), die die
vierzigste Ode des Anakreon illustriert, welche ein deutscher Rokokodichter,
F. W. Löwen, unter dem Titel „Der Bienen-Stich" in folgende Reime
gebracht hat:
„O Schmerz, den Amor fühlte,
- Als er mit Rosen spielte;
Und den, als er die schönste brach,
Ein Bienchen in die Finger stach.
Schnell flog aus seinem Munde
Ein Seufzer. Sieh die Wunde!
Ach liebe Venus! Heile mich
Von dem vermaledeyten Stich.
Macht dir, rief sie mit Scherzen,
Ein Bienenstich die Schmerzen;
So denke, Bube! denke dran,
Wie tief dein Pfeil verwunden kann."
Ein vielteiliges Kaffeeservice der Großherzogin Alexandrine von
Mecklenburg-Schwerin, dessen auf Entwürfe von dem Berliner Maler und
Kupferstecher A. Wachsmann zurückgehende, durch Unterschriften erklärte
Darstellungen in der Tasse der Abb. 13 teilweise wiederholt sind, erzählt
die ganze Lebensgeschichte des bald starken, bald schwachen, scheuen
und mutigen, blinden und scharfsinnigen Genius der Liebe. Und eine Tasse
des Hohenzollem-Museums zeigt ihn endlich in qualvoller Gefangenschaft
hinter dem Gitter seines Kerkers (Abb. 14).