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Volltext: Monatszeitschrift XX (1917 / Heft 6, 7 und 8)

wissenschaftlichen Werte ist. Sämtliche Buntscheiben in der Burg sind in dem Buche 
abgebildet, zunächst die Absidenfenster des frühen XIV. Jahrhunderts, die der blühenden 
Klostemeuburger Schule entstammen. Es sind Werke, die im engsten Zusammenhange 
mit den Kreuzgangscheiben zu Klosterneuburg stehen, und auch die Anordnung der figu- 
ralen Szenen in länglichen geschwungenen Meclaillons auf geometrisch gemustertem Grunde 
ist dieselbe. Die übrigen Glasgemälde der Abside, Apostelfiguren unter gotischen Bogen und 
Baldachinen, dann Gruppen von Heiligen, sowie Passionsdarstellungen, sind gleichfalls 
sämtlich Werke österreichischer Meister aus dem XIII. bis XV. Jahrhundert und verdienen 
eine genaue Untersuchung und Gruppierung. Auch die in den übrigen Räumen der Burg 
vorhandenen bunten Glasgemälde sind bemerkenswert, so die Schweizer Wappenscheiben 
des XVI. und XVII. Jahrhunderts in den Fenstern der Vorhalle des Saales. Damit ist diese 
Gruppe des Wilczekschen Kunstbesitzes, die Glasgemälde, vollständig der Wissenschaft 
erschlossen worden. 
Die zweite, gleichfalls vollkommen bildlich aufgenommene Abteilung, die wichtigste 
und vielseitigste auf Kreutzenstein, ist die des Mobiliars. Den Anfang machen die großen 
allbekannten gotischen Schreinermeisterwerke, der 1455 angefertigte Tamsweger Schrank 
rnit den reich geschnitzten und durchbrochenen Sockel- und Gesimsbrettem sowie 
Füllungen sowie der noch viel prächtigere aus Stift Neusdft bei Brixen, wohl das größte 
und stattlichste, an Kunstkönnen reichste, erhaltene Schrankmöbel der Gotik. Nicht weniger 
als 14 Gesamt- und Detailaufnahmen sind ihm gewidmet. Ein paar stimmungsvolle Platten 
veranschaulichen die jedem Besucher von Kreutzenstein bekannten und vertrauten 
Gemächer, die Pfaffenstube, den Erker, den Saal, die Jagdkammer mit ihrem feinen und 
raren Inventar, die Burgküche, die Alchimistenkammer und das Parzivalzimmer. Letzteres 
trägt auf der getäfelten Decke eine Reihe bunt schablonierter spätgotischer Flächenmuster 
und stammt aus Kärnten, aber genau dieselbe Technik und ganz verwandte Muster lassen 
sich im Reich, sowohl im Osten wie im Westen und Norden, nachweisen. Die alte, 1510 
erbaute Holzkirche zu Taschendorf bei Odrau in Schlesien, die vor einigen Jahren leider 
abgebrochen werden mußte, deren vollständig bemaltes Innere aber im Troppauer Landes- 
museum eingebaut werden konnte, ist zum Beispiel genau in derselben Weise dekoriert. 
Zu erklären ist dieser Umstand natürlich durch die ausgedehnten Reisen und Wanderungen 
der Gehilfen innerhalb der weiten Grenzen des alten deutschen Imperiums. So gäbe jeder 
Raum des alten reichen Schlosses Gelegenheit zu interessanten und wertvollen Fest- 
stellungen. 
Die zweite Hälfte des Bandes nimmt die bereits erwähnte Wiedergabe des übrigen 
Mobiliars ein und für diese gebührt dem Autor unsere freudigeste Anerkennung. Für die 
wissenschaftliche Bearbeitung des alten Kunstgewerbes, die noch nicht gerade sehr alt ist, 
außerdem recht ungleichartig erfolgte, ist vor allen Dingen ein möglichst umfangreiches 
und zuverlässiges bildliches Material notwendig. Die früheren Publikationen, die von 
Männern der Praxis für die Zwecke derselben als sogenannte „Vorlagenwerke" auf den 
Büchermarkt gebracht wurden, haben sicherlich auch ihren Wert gehabt, aber die Aus- 
wahl der Abbildungen mußte naturgemäß unter ganz anderen Voraussetzungen erfolgen, 
als wir sie heute anerkennen; das Einzelobjekt, losgelöst aus der Entwicklungsreihe, mag 
wohl allerlei technische Aufklärungen geben, malerische Reize und interessante Details 
haben, aber es bringt die wissenschaftliche Erkenntnis nicht viel weiter und bleibt ein totes 
Sammelstück oder beachtenswertes Kuriosum. Darum war die aus solchen Anschauungen 
herausgewachsene Literatur entweder rein technologischer Natur oder allgemein ästhe- 
tisierend. Was uns aber fehlt, ist eine Entwicklungsgeschichte des Kunstgewerbes, klar- 
gestellt vor den einzelnen technischen Hauptarten und Typen. Man darf dabei daher nicht 
allein die besonders kunstvollen und meisterhaften „schönen" Objekte berücksichtigen, 
sondern auch das einfachere schlichtere Werk hat wissenschaftlich denselben Anspruch 
auf Beachtung und ist wohl auch entwicklungsgeschichtlich ebenso wertvoll. Die voll- 
ständige bildliche Veröffentlichung des Kreuzensteiner Mobiliars ist uns nun deshalb so
	        
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