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Irtterüätioriäie Sättlmier-2eiiüiig
Nr. 21
c Uandafismus.
In den letzten Tagen ist in der Wiener Sezession
ein Seibstporträt von Beckmann und in der „Neuen
Galerie" ein Jugendwerk Kokoschkas, ein Kind dar
stellend, durch einen Messerstich beschädigt worden.
Kokoschka hat aus Erbitterung über diesen Bubenstreich
Wien verlassen, nicht ohne vorher an den Inhaber der
„Neuen Galerie“, Herrn Otto Nirenstein, folgenden
Brief zu richten:
25. Oktober 1924.
„Sehr geehrter Herr Nirenstein!
Erbittert über die boshafte Beschädigung eines
meiner wichtigsten Jugendwerke bitte ich, weil ich nicht
den Sachwert meiner Bilder zu schützen habe, was
Sache der betreffenden Besitzer ist, für mich das Recht
in Anspruch nehmen zu dürfen, so lange hier Narren
frei herumlaufen, mein geistiges Eigentum vor der Oef-
fentlichkeit zu wahren.
Ich habe in anderen Ländern Beschädigung meiner
Bilder, Attentate gegen meine Bühnenaufführungen und
gegen meine Person erlebt. Dann aber waren es immer
abnorme Personen, deren Ohnmacht sich ebenso gegen
andere Objekte der menschlichen Kultur erbost hätte.
Der vorgekommene Fall aber ist, soweit meine persön
liche Erfahrung erkennt, symptomatisch für ein steriles
Herostratentum einer ganzen Gesellschaft, das genährt
wird von einer dem Schöpferischen abholden Presse,
die 1907 gegen dieselben Bilder in der Kunstschau zu
geifern begann, während das Publikum dieselben ver
unreinigte; die mich, so oft ich hier an Schulen für
Kinder, Lehrlinge, Kunststudenten gleichwohl als Lehrer
zu wirken versuchte, den Behörden denunzierte. Bis
einer Künstlervereinigung gar das Lokal zur Strafe für
eine Ausstellung von mir weggenommen wurde (1911),
was meine Auswanderung erzwang, worüber didselbe
Presse mit der Prämiierung meiner Epigonen triumphiert.
Seither hatte ich mich gegen alle Ueberredungs-
versuche von seiten meiner Freunde, an einen Wandel
glauben zu wollen, taub gestellt und Sie, meiner Lieber,
als Sie die Ausstellung eröffneten, vor einem schlimmen
Endeffekt gewarnt. Ich bitte Sie nun freundlichst, zu
veranlassen, daß sowohl aus Ihrer Ausstellung,
wie auch aus der Sezession, dem Künstler
haus und Rathaus sofort alle Bilder
meiner Hand ihren Besitzern zurückge
stelltwerden mögen.
Mit dem Ausdruck meiner freundlichen Gesinnung
gegen Sie,besterHerr Nirenstein, Oskar Kokoschka m.p.“
Wir finden die Erregung Kokoschkas begreiflich,
glauben aber, daß er zu weit geht, wenn er für die
Ausschreitung eines Narren die ganze Gesellschaft ver
antwortlich macht. Nemo propheta in sua patria! Hat es
auch hier nicht an Verunglimpfern seiner Kunst gefehlt,
so ist ihm auch Anerkennung in reichstem Maße zuteil
geworden. Was speziell den Kritiker betrifft, den er bei
seinem Erguß im Auge zu haben scheint, so mag er
sich zum Tröste sagen lassen, daß man diesen Herrn
in Wien schon lange nicht mehr ernst nimmt. Man
lächelt über ihn, wie über jeden antiquierten Menschen,
der für die Kunst seiner Zeit kein Verständnis besitzt.
Im übrigen freut es uns herzlich, daß Herr Niren
stein den Wunsch des Künstlers nach Zurückstellung
seiner Bilder unerfüllt ließ. Die Ausstellung ist nach wie
vor geöffnet und hat jetzt einen Riesenzulauf. Es ist,
als ob es eines Eklats bedurft hätte, um Wien daran
zu erinnern, daß es eine interessante Ausstellung in
seinen Mauern beherbergt.
Gfironifi.
BIBLIOPHILIE,
(Bonner Bücherauktion.) Die von uns in Nr. 18
besprochene Bücherauktion der Firma Matth. L e m p e r t z in
Bonn ist für den 11.—14. November festgesetzt worden.
(Bibliothek Prof. Richard M. Meyer.) Das
AntiquariatMey er «^Mittler inBerlin gibt nun den dritten
Katalog der Bibiothek Prof. Richard M. Meyer aus. Er ist
vornehmlich der Goethe-Forschung gewidmet und enthält alles,
was der Eifer des Gelehrten und Sammlers in einem Menschen
alter über Goethe und seine Zeit zusammengetragen hat: Alt
bekanntes neben manchem, das heute schon seltener zum An
gebot kommt und Forschern, wie Sammlern, Seminarien wie
Bibliotheken gleich willkommen sein wird. In seiner Reichhaltig
keit— 4459 Nummern — gibt so der Katalog zugleich einen
Ueberblick über die einzelnen Gebiete der Goethe-Literatur in
ihrer Entwicklung: die Goethe-Biographie, von den Zeugnissen
und Berichten der Mitlebenden an bis zu den umfassenden Dar
stellungen seines Lebens in der Gegenwart, die Goethe-Philo
logie und ihre zahllosen Sonderprobleme, sowie die Kritik einer
Geschichte des Goetheschen Textes und seiner Erläuterungen.
Der Anhang bringt eine Auswahl von Seltenheiten, die von dem
engeren Bezirk des Goetheschen Kreises zu den Hauptwerken
seiner Zeit hinüberleitet.
BILDER.
(Zwei unbekannte Rembrandt) veröffentlicht Dr.
Abraham B r e d i u s im „Burlingtone-Magazine“. Bredius steht
denP allzu reichlichen Rembrandt-Entdeckungen des letzten Jahr
zehnts so kritisch gegenüber, daß er gewiß selbst nur Bilder
als Werke des Meisters vorstellen wird, die jeder Prüfung stand
halten. Die Bilder befinden sich in Brüssel. Beide stammen
aus Rembrandts Frühzeit. Das eine stellt die Taufe des
Kämmerers in einer großen Landschaft dar. Das zu Anfang
der 1630er Jahre entstandene Gemälde zeigt Rembrandts Be
kanntschaft mit seinem großen Vorgänger Segers. Das andere
Bild, ein Orientalenkopf, das ähnlich auch in der Prager
Galerie Nostitz hängt, befand sich einst im Besitze des Malers
Corot.
MEDAILLEN.
(Eine Richard Robert-Plakette.) Freunde und
Schätzer des im Frühjahr d. J. in Wien verstorbenen hervor
ragenden Musikpädagogen Prof. Richard Robert haben eine
von dem Pariser Bildhauer Ara Sarkissian noch nach dem
Leben modellierte Plakette Roberts vervielfältigen lassen. Der
Vertrieb wurde in uneigennütziger weise vom Schuberthaus,
Wien IX., Nußdorferstraße, übernommen.
PHILATELIE.
(Berliner Briefmarken-Ausste 1 lung.) Anläßlich
des 75. Geburtstages der ersten deutschen Briefmarke und des
50jährigen Bestehens des vom Generalpostmeisfer Heinrich
Stephan begründeten Weltpostvereins veranstalten namhafte
deutsche Philatelisten vom 2. bis 9. November im ehemaligen
Preußischen Herrenhause eine Briefmarkenausstellung. Zur Aus
stellung gelangen nur Alt- und Neudeutschland.
(Postmarken für das Heilige Jahr.) Aus Rom
wird uns geschrieben: Auf eine Bitte des Komitees für das
Heilige Jahr hat der Ministerrat beschlossen, besondere Post
marken für das Heilige Jahr herauszugeben. Es sind sechs ver
schiedene Sorten von Postmarken vorgesehen, angefangen von
den 20 Centesimimarken bis hinauf zu denjenigen von 5 Lire.
Sie werden aber alle zu höheren Preisen verkauft werden, so
z. B. die Marken von 20 C. zu 30 C. und die von 5 Lire zu
7 Lire 50 C. Vier Markenserien werden das Bild je einer der
vier großen römischen Kirchen tragen, die zwei anderen das
Bild der Eröffnung und das der Schlußfeierlichkeit des Heiligen
Jahres.
VOM KUNSTMARKT.
(Aukti'onshausGlückselig-Wärndorfer.) Die
vom 3. bis 5. November im Auktionshaus Glückselig und
Wärndorfer in Wien IV., Mühlgasse 28—30, stattfindende
Versteigerung bringt eine sehr große Anzahl seltener und wert-