Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 1. Mai 1929 Nr. 9
Dossenas Jriumphzug.
Der italienische Bildhauer Algio D o s s e n a,
der die Werke der bedeutendsten Meister der Re
naissance so täuschend gefälscht hat, daß die her
vorragendsten Kunstkritiker der ganzen Welt, die
Direktoren vieler großer Museen und eine Menge
privater Liebhaber seinem Schwindel aufgesessen
sind, ist reich geworden. Seine Werke werden als
besondere Attraktionen verkauft, wenn sie auch
nicht mehr jene Millionenpreise erzielen, die man
seinerzeit für falsche Donatellos und Vecchiettos
gegeben hat. Dossena ist aber nicht mit dem Ruhm
zufrieden, ein weltberühmter Fälscher zu sein, er
will auch zeigen, was er als selbstschaffender Künst
ler kann, und beweisen, daß die Kunst der Renais
sance nicht mehr war, als seine heutige Kunst ist.
Das Glück steht ihm zur Seite; die gleichen Kunst
händler, die früher sein Schwindelunternehmen fi
nanziert haben, geben jetzt Geld für die Propaganda
seines ehrlichen Schaffens.
In einem alten neapolitanischen Palazzo findet
zur Zeit eine große Ausstellung der Werke Dossenas
statt, die großen Zulauf hat und Sachverständige aus
aller Herren Länder anlockt. Herrliche Grabmäler
von Miso da F i e s o 1 e, Statuen von Martini und
D o n a t e 1 1 o, von den Meistern »eigenhändig« sig
niert, und jene Madonnen des Vecchietto, deren
Augen Dossena endlich verraten, aber auch berühmt
gemacht haben.
In der engen Heimat freut es nun aber Dossena
nicht mehr. Er will aus Italien fort. In allen großen
Städten Europas sollen Dossena-Ausstellungen ver
anstaltet werden, in denen man die berühmt-berüch
tigten Skulpturen sehen und erfahren wird, wie die
herrliche Patina gemacht wurde, wie sich funkel
nagelneue Steine in antike Statuen verwandelten,
ein Blick hinter die Kulissen des intimen Gewerbes.
Die erste Ausstellung der Werke Dossenas am Kon
tinent soll in Wien stattfinden. Dossena will da
mit sozusagen eine kleine Dankesschuld an seinen
»Entdecker«, dem Kustos am Kunsthistorischen Mu
seum Dr. Planiscig, abtragen.
Man erinnert sich noch, welche List Dr. Pla
niscig anwenden mußte, um den raffinierten Fäl
scher und die noch geriebeneren Kunsthändler zu
überführen. Dr. Planiscig, zu dessen Spezialitäten
das Studium der Meister der Renaissance gehört,
unternimmt jedes Jahr größere Reisen nach Italien
und kam so auch im Jahre 1920 nach Florenz. In
der alten Mediceerstadt wurde ihm bei einem Kunst
händler eine Madonnenstatue gezeigt. Ein kleines,
recht unscheinbares Figürchen, mit einem eigentüm
lichen Gesichtsausdruck, mit seltsamen, fast spöt
tisch erscheinenden Augen. Das Bildwerk wurde als
eine Arbeit des großen italienischen Bildhauers
Lorenzo Vecchietto bezeichnet.
Der Wiener Forscher schenkte dieser Version
wenig Glauben und da er sich schon seit langem für
Fälschungen interessiert, photographierte er das
Steinbild der »Madonna mit dem Kinde«, um viel
leicht später einmal den Fälscher entlarven zu kön
nen. Kaum ein Jahr verging, da wurde dem Kunst
historischen Museum in Wien eine Holzmadonna
zum Kaufe angeboten. Sie war zwar angeblich von
Simone Martini, ihre Photographie stimmte aber
fast haargenau mit der Madonna des Vecchietto
Noch ein drittes Mal begegnete Dr, Planiscig
diesen »garantiert echten Anjikert« aus der Neuzeit,
Im Jahre 1924 wurde dem Kunsthistorischen Museum
das Grabmal einer Nonne von Miso da Fiesoie an
geboten. Sonderbar, an der Kopfseite war wieder
jene Madonna mit den seltsamen Augen zu sehen,
die den Fälscher charakterisierten. Der Kustos pho
tographierte alle diese Madonnen, projizierte die
Augen nebeneinander, und konnte so in einer Reihe
amerikanischer und deutscher Museen Fälschungen
entdecken, die ihren Weg in die offiziellen Kataloge
gefunden hatten.
Man weiß, wie eine Reihe von Kunsthändlern
und Gelehrten Dr. Planiscig verlacht haben, der
Engel, Grabmäler, Madonnen und Reliefs in den Mu
seen von Berlin, München, New York, Cleveland
und im Besitz vieler amerikanischer Milliardäre als
Fälschungen bezeichnete. Trotzdem hatte der Wie
ner Kustos recht. Es war ihm im Verein mit einem
florentmischen Kunsthändler und einigen Helfern
gelungen, Dossena auszuforschen; gerade als der
New Yorker Galerie F r i c k eine Madonna von Do-
natello angeboten wurde, erschienen in den »New
York Times« von »unbekannter, wohlinformierter
Seite« sensationelle Berichte und Bilder, die die
Fälschungen aufdeckten und den Stolz vieler Mu
seen in einen wertlosen Steinhaufen verwandelten.
Dossena aber war ein gemachter Mann; seine
ehrlichen Arbeiten erzielten von nun an Rekord
preise, Nun will er auf Reisen gehen. Wien—Ber
lin—New York ist sein Ziel. Die italienischen Kunst
händler und Künstler aber protestieren gegen die
Ausstellungen und wollen ein Verbot erreichen, da
sie behaupten, daß Dossena ihren internationalen
Ruf schädige.