Kategorie, welche die Nachteile der Zinskaserne haben,
ohne die Vorteile des Wohnens auf dem Lande zu ge'
währen; sie liegen im Garten und sind diesem fremd,
und der Garten ist so beschaffen, daß er nicht zum Hause
gehört, er bildet mit dem Hause kein Ganzes, er ist ein
ebensolches Stückwerk wie das Gebäude, das mit ihm
verkettet ist. Es wäre viel darüber zu sagen, wie unsere
Bauvorschriften oft das Hemmnis für die Entwicklung
des sinngemäßen Landhausbaues sind, aber davon soll
später, bei den einzelnen Beispielen gesprochen werden.
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Die Haupthindernisse der Entwicklung des Land'
hausbaues sind bei uns die Vorurteile und die Unkennt'
nis oder besser gesagt das Verkennen der eigentlichen
Sachlage. Bei Erörterung dieses Gegenstandes muß man
bei unserem Publikum drei Kategorien unterscheiden:
Ausgesprochen reiche Leute, den mittleren Bürger' und
den Arbeiterstand. Drei Hauptmomente machen sich geh
tend: Zeit, Geld und Gewohnheit. Die Zeit spielt bei den
wirklich reichen Leuten in dieser Frage keine Rolle, denn
ein großer Teil von ihnen besitzt Autos oder Equipagen,
daher für sie die Entfernung vom gewöhnlichen ArbeitS'
orte, Bureau o. dgl. bis zu ihrem Landhause neben'
sächliche Bedeutung hat. Bei den zwei anderen Kategorien
liegt aber die Sache anders. Hier ist die Zeit schon ein
bedeutender Faktor. Der Weg vom Bureau oder von der
Fabrik bis zum Heim ist schon sehr merkbar, denn er
raubt Zeit. Diese Zeit aber will unser Bürger nicht fürs
Fahren, oder Verweilen bei seiner Familie verwenden,
da will er lieber im Kaffeehause sitzen — eine Wiener
Spezialität — die sich leider auch auf die anderen öster'
reichischen Städte verpflanzt. Selbst wenn diese Gewöhn'
heit nicht zur Gänze aufgegeben wird, und daran ist ja
nicht zu denken, könnte die durchgehende Bureauzeit
Abhilfe schaffen, die ja schon so ziemlich in vielen Bureaus
eingeführt ist, oder der Herr müßte außer Hause mittag'
essen, was ja auch ohnehin vielfach geschieht. Dieses
Opfer, das er damit bringt, wäre gewiß nicht zu groß, um
damit viel größere Vorteile zu erringen, die das Landleben
für die Gesundheit bringt. Es ist sehr schwer, unserem
Publikum klar zu machen, wie schlecht es in gesund'
heitlicher Beziehung in unseren Miethäusern wohnt, wie
schlecht es für den Ernährer der Familie ist, in nächster
Nähe das Kaffeehaus, die gewohnten Kollegen etc. etc. zu
haben, wie schlecht es ist, mit wenigen Schritten all dies
erreichen zu können, wie faul und bequem der Mensch
dadurch wird und wie wohltuend es für ihn wäre, einen
Teil dieser Gewohnheiten abzulegen und gezwungen zu
sein, größere Strecken zu Fuß zu gehen. Es kann ruhig
gesagt werden: Die gewohnte Bequemlichkeit, der er'
schlaffende Hang zum Ruhen, zum sofortigen Erreichen
des Gewöhnten, das sich Tag für Tag wiederholt, gehören
mit zu den Ursachen, welcfae das große Publikum ver'
hindern, mit Wärme, ja mit Begeisterung und Sehnsucht
für die Landhausidee rückhaltlos einzutreten, bei ihrer
Verbreitung und Durchführung mitzuwirken. Mit den
Entfernungen wird bei uns zu viel Aufhebens gemacht.
Unsere elektrischen Straßenbahnen sind schon ziemlich
gut ausgebaut, sie führen rasch in die entlegensten Villen'
viertel. Ebenso ist für einen großen Teil der Bevölkerung
die Stadtbahn ein gutes Beförderungsmittel, ich nenne
hier beispielsweise den Bezirk Hietzing in Wien. Außer'
dem ist es ja nur eine Frage der Zeit und wir haben
rasche Fernbahnen, die von der äußersten Peripherie ins
Stadtzentrum führen. Dann fällt natürlich überhaupt das
Moment der Zeit und der Entfernung weg. Und selbst jetzt
muß es für den einsichtsvollen Menschen wegfallen. Wenn
Hirn und Rückfahrt selbst drei Viertelstunden bis eine
Stunde in Anspruch nehmen, so muß eben diese Fahrt ge'
macht werden, so muß eben das Sitzen im Kaffeehause oder
ein sonstiges sinniges Nachtischvergnügen wegfallen und
dafür in der Zeit einer Stunde, die der Betreffende in einem
vom Garten umgebenen Landhause in Behaglichkeit ver'
bringt, für die Nachmittagsarbeit neue Kraft und frischer
Mut geholt werden; dann aber wird der Reiz und das
wohltuende Einwirken des Wohnens im Landhause, die
Behaglichkeit und die Zufriedenheit mit den neuen Ver'
hältnissen so steigen, daß die früheren schlechten Zustände
beim Tagesleben in der Stadt, selbst in der Erinnerung,
zum Ekel werden müssen.
Unsere Frauen gebrauchen bei Besprechung dieser
Frage mit besonderer Vorliebe die Phrase: „Wenn wir
ins Theater, zu einer Unterhaltung oder zu Abend geladen
sind, ist es dann sehr schwer, nach Hause zu kommen.“
— Hieraus spricht also wieder der Hang zur Bequemlich'
keit. Die elektrische Straßenbahn verkehrt z. B. in Wien
bis 12—V2 1 Uhr nachts, im Faschingsrummel sogar
mehrere Tage hindurch die ganze Nacht; es ist zu hoffen,
daß für mehrere Linien die Verkehrszeiten verlängert
werden und einige Strecken sogar vollen Nachtverkehr
erhalten. Und wenn es aber doch nicht so geht, so muß
eben hie und da eine Droschke genommen werden, die
übrigens auch ohne die obige Ausrede öfter genommen
wird. Und schließlich ist es auch gar nicht notwendig,
um auf einen anderen Punkt sprechen zu kommen, Tag
für Tag bis in die späte Nacht in einem Restaurant oder
Kaffeehaus die Zeit zu verbringen. Wenn das eigene Heim
so behaglich und wohnlich wäre, wie es sein sollte, in
den allermeisten Fällen aber bei uns noch nicht ist, würde
man lieber zu Hause sitzen, den Wohnkult pflegen, seine
Wohnung so schön als möglich schmücken, sein Geld,
das sonst für meist wertlose, nichtssagende Dinge ver'
schwendet wird, für Neuanschaffungen in seinem Heim
ausgeben und mehr in diesem als außerhalb desselben
leben. — Auch von diesem Standpunkte betrachtet, trägt
also das Leben im Landhause zur Veredelung der Kultur
bei, wobei ich aber durchaus nicht jene Kultur meine,
die unter idyllisch wohnenden, einfachen Menschen Neu'
einführungen machen will, die nicht für sie passen, die
in prächtige alte Bauerndörfer neues Material, neue Bau'
weisen und neue Lebensmoden einführt und damit das
Aussehen seiner Bewohner, seiner Gebäude, der ganzen
Landschaft verunziert und lächerlich macht, die in harmo'
nische, ländliche Bilder protzenhafte Miniaturpaläste und
Schlößchen schafft, die ein organisch entwickeltes Volks'
leben und eine sich nach und nach herausgebildete, den
Bedürfnissen und Gewohnheiten entsprechende Volks'
kunst zerstört, die aus ehemals idyllisch daliegenden Klein'
bauten ein Gemisch von ländlicher Schönheit und städti'
schem Scheinprunk macht und Zeugnis dafür ablegt, wie
Charakter, gediegene konstruktive Form, einfache edle
Außenseite, durch nüchterne, von den Berechnungszahlen
produzierte, verständnislose Scheinkunst geschändet und
zerstört werden kann.
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