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NEUERWERBUNGEN DES BUDAPESTER
MUSEUMS DER BILDENDEN KUNSTE St.
VON LUDWIG VON BALDASS-WIEN Sie
7'341 was l fünf Sälen des Budapester Museumsbaues am
" ' Stadtwäldchen sind gegenwärtig die Erwerbun-
gen, die dem neuen Generaldirektor Ministerial-
s . rat von Petrovics in den ersten drei Jahren seiner
x ' ' im April 1914 angetretenen Amtstätigkeit ge-
" i, lungen sind, ausgestellt. Es sind dies Bilder
von modernen ungarischen und ausländischen
- Künstlern, Gemälde alter Meister und alte Skulp-
turen. Unter den Gemälden" alter Meister nehmen
an historischer und künstlerischer Wichtigkeit
zweifellos den ersten Rang zwei eigenhändige Tafelbilder Albrecht Alt-
dorfers ein, die demnächst in dem neu geplanten Jahrbuch des Budapester
Museums eine würdige Publikation erfahren sollen. Beide Bilder tragen
das bekannte echte Monogramm Altdorfers, auf keinem aber ist ein Datum
sichtbar. Die aus Münchner Privatbesitz stammende Halbtigur einer Ma-
donna mit dem Kinde," deren größter Reiz in der leuchtenden Farbe liegt,
steht im Typus und in der Formauffassung der berühmten Maria in der
Engelsglorie in der Münchner Pinakothek nahe und dürfte somit gegen
Ende derZwanzigerjahre des XVI. Jahrhunderts entstanden sein. Schwieriger
ist die chronologische Einordnung des zweiten Gemäldes, einer Kreuzigung,
die als dauernde Leihgabe der Gräfin Emmerich Erdödy in die Galerie
gelangte. Das gleichfalls tadellos erhaltene Bild ist die einzige Tafel Alt-
dorfers, die auf Goldgrund gemalt ist und jeder landschaftlichen Andeutung
entbehrt. Die ganze untere Bildfläche füllt eine weit in die Tiefe gehende
Menschenmenge, aus der der Crucifixus, der sich mit den beiden konsi-
stierenden Engeln scharf von der vergoldeten Fläche abhebt, herausragt.
Über den eng geschlossenen Gruppen der unteren Bildhälfte ist das Gold zu
wolkenartigen Gebilden matt abgetönt. In dem scharfkantigen, mit kleinen
Steinchen besäten Felsboden und in den stark plastisch durchgebildeten
Figuren zeigt sich deutlich ein wohl durch graphische Blätter verrnitteltes
Einwirken Mantegnas, das in solcher Klarheit in Altdorfers gemaltem Werk
vereinzelt dasteht und nur in dem Holzschnitt B 42 (Josua und Kaleb mit
den Früchten des gelobten Landes) eine Parallelerscheinung aufzuweisen
hat. Weitere stilistische Analogien finden wir in Werken, die zu Beginn der
Zwanzigerjahre entstanden sind, in der wundervollen radierten Kreuzigung
und in dem gemalten großen Meisterwerk des Abschieds Christi von Maria
in englischem Privatbesitzf" Auf letzterem Gemälde sehen wir vor allem
l" Ausführlich beschrieben von Friedländer, „Albrecht Altdorfer", Beiträge zur Kunstgeschichte, XIII,
Leipzig 1891, Seite x05 f.
i" Als Tafel abgebildet im „lllustrated Catalogue of Early German Art", Burlington Fine Ans Club, 19:16.
Halm las 180g das Monogramm und die Datierung 1522.