437
Marienbad, Ambrosiusbrunnen, gegenwärtiger Zustand
tempel in Anordnung und Dimensionierung den Originalen nahekommen.
Die Abweichung ist aber aus den Illustrationen zu ersehen.
Die großen Neubauten der späteren Zeit sind häufig ganz ohne Rück-
sichtnahme auf das Vorhandene erfolgt. Sichtbare Eisenkonstruktionen und
der Wirrwarr richtungsloser Stilkopien aus allen Jahrhunderten haben die
Einheitlichkeit jener frühen Tage ganz aufgehoben, aber keine neue Einheit
aufzurichten vermocht.
Wie beträchtlich die offizielle österreichische Bautätigkeit in jener Zeit
war, hat E. Leisching in dem vorzitierten Aufsatz auf Grund der Angaben
Hormayrs hervorgehoben. In der Zeit von 1812 bis 1817 sind von 376
Millionen Gulden, die für Staatsbauzwecke aufgewendet wurden, allein 100
Millionen auf Staatsgebäude entfallen. Die für diese Bautätigkeit errichtete
Generalbaudirektion stand unter Leitung Peter von Nobiles, der auch in
künstlerischer Hinsicht richtunggebend wirkte und als Lehrer an der Wiener
Akademie der bildenden Künste Einfluß auf die heranwachsende Generation
von Architekten gewann.
Wenn wir die Werke der vor und neben Nobile wirkenden Baukünstler
Österreichs überblicken, so fühlen wir in ihnen das gleiche Streben nach
Anschluß an die Antike und nach Aufstellung gewisser Grundforderungen
und Prinzipien für strenge Formgebung, beinahe kann man sagen nach
Formeln und Regeln, die in zahlreichen Publikationen niedergelegt sind.
Die Renaissance- und Barockmeister, welche theoretische Richtungs-
linien aufstellten, sind dabei zumeist von Vitruv ausgegangen, haben aber
stets in freiester Weise ihre persönlichen Auslegungen und Varianten an
die Überlieferung geknüpft, die weit von ihrem Ausgangspunkt abwichen
und nur subjektiv gemeint waren.