Gegen die harte Konkurrenz, namentlich der Augsburger Goldschmiede,
waren die etwas behäbigen Grazer Goldschmiedemeister ohnmächtig; es
fehlte ihnen jedenfalls an unternehmenden und fähigen Köpfen, an Orga-
nisation, vielleicht auch an Geld und Förderung. Sie flüchteten sich hinter
ihre Zunftordnung, suchten mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln die
Einwanderung und Meisterwerdung auswärtiger tüchtiger Gesellen und
Meister zu verhindern und blieben daher immer mehr hinter den Leistungen
anderer Städte des Reiches zurück.
Der Druck der Zeitereignisse und die Aufhebung des Grazer Hofes
griffen tief in das Leben des Landes ein und machten sich auch in den
Sitten des täglichen Lebens bemerkbar. Die Geschenkfreude verflachte und
man begann anstatt der Trinkgeschirre, Hof becher und Ehrenketten das Geld
dazu auszuzahlen und überließ es dem Empfänger, sich für das erhaltene
Geld anzukaufen, was er gerade notwendig hatte.
Auch das mußten natürlich unsere Goldschmiedmeister sehr bitter ver-
spüren und ihre lauten Klagen über die schlechten Geschäfte finden wir in
einer Eingabe an die römische kaiserliche Majestät in Wien vom 5. Juli 165;
im Statthaltereiarchiv in Graz. Sie sagen: „So spüren wir aber eine zimbliche
Zeit hero, daß unsere gemachte Arbeit uns Meistern liegen verbleibt, weil
sie nicht nach derAugsburger Probe, das ist r3lötig nach dem Striche, sondern
x4lötig gemacht ist und deswegen gar ungern angenommen wird." Daher
bitten sie um die Einführung der r3lötigen Probe.
Das Gutachten des Landeshauptmannes vom I. Dezember 1651 hiezu
führt uns aber auf eine ganz andere Ursache.
Er findet, daß „seines Bedunkens nach, nicht das, was die Supplicanten
angebracht haben, die erhöbliche Ursache gewest, warum die Augsburger
Arbeit von jedem viel lieber, als das allhiesige Silber erhandelt wird, sondern
weil die allhiesigen Goldschmied auf ihr verfertigtes Silber fast nie kein
Namen, geschweigent das allhiesige Stadtzeichen aufschlagen, dasjenige auch
so sie zuebereitet als blumb und unärtig verfaßt, so daß es niemand ange-
nommen, was jetzt die allhiesigen Goldschmiede mit nicht geringen Schaden
erfahren müssen". Er rate, ihrem Wunsche nach Einführung der r3lötigen,
nachzulesen, um zu erfahren, welche Menge an kostbaren Goldschmiedekunstgegenstinden in der erzherzoglichen,
später kaiserlichen Schatzkammer in Graz vorhanden waren. Mit der Auflösung des Grazer Hofes im Jahre 151g
hörte natürlich die Entwicklung dieser Sammlung auf. Die kostbaren Stilcke kamen allmählich nach Wien und
im Jahre 1765 wurde die Grazer Schatzkammer ganz aufgehoben und die besseren Stücke davon in rg Truhen
und Kisten für immer nach Wien gebracht. „31 Stücke davon und später noch einige Stücke" sind in die
kaiserliche geistliche Schatzkammer einverleibt worden; wohin die anderen Gegenstände gekommen sind, konnte
ich nicht eruieren. Wahrscheinlich sind darunter einige Arbeiten steirischer Goldschmiede gewesen, deren
Auflindung und Bestimmung für die Bewertung der damaligen steirischen Goldschmiedekunstleistungen von
größter Wichtigkeit sein würde. ,
Wie sehr sich Erzherzog Karl ll. für die Goldschmiedekunst interessiert haben muß, zeigt ein im Jahre
1765 nach Wien gebrachtes Inventarstilck, bestehend aus einer „Monstranze auf Thurm und sehr altvliterliche
Art mit verschiedenen Statuen, Engeln und Laubwerk, davon das meiste stark vergoldet, so Erzherzog Carl
selbst gemacht haben soll", 15 M. 8 Lot schwer.
Aus dieser Notiz ergibt sich die interessante Tatsache, daß sich Erzherzog Karl in seinen Mußestunden
eigenhändig mit Goldschmiedearbeiten befaßt haben rnuß. Schade. daß wir darüber nichts Näheres wissen und
den Meister nicht nennen können, der den hohen Herrn in diesem Handwerk unterwiesen hat.