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ländischen Tagebuch, in welcher der Meister selbst von einem „geschnittenen
Kindlein" berichtet -, aber ebenso sicher steht es fest, daß man zahlreiche,
besser ausgeführte Werke der deutschen Kleinplastik aus der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts nachträglich mit dem Dürer-Monogramm versehen
hat, um sie in den Augen des Sammlers wertvoller zu machen. Wann dies
geschehen ist, vermag zumeist nicht genau festgestellt zu werden, doch kann
dies häufig schon für die zweite Hälfte und um die Wende des Renaissance-
jahrhunderts anzunehmen sein, also zu derselben Zeit, in der Hans Hofmann,
johann Georg Fischer und Hans Brüderl ihre Dürer-Imitationen geschaffen
haben. _
Wir finden zum Beispiel derartige, nachträglich eingesetzte Dürer-
Monogramme auf der „Heiligen Sippe" des Kaiser-Friedrich-Museums Wöge,
287, mit Abbildung), ein Relief um 1510 bis 1520, also zu derselben Zeit, wie
unser Relief entstanden sein magd"; es trägt das Monogramm gar zweimal, auf
der Vorder- und Rückseite, und außerdem die irreführende Jahreszahl 1535.
Was dieses kleine Relief des Nostitzschen Besitzes Wissenschaftlich be-
sonders wertvoll macht, ist, abgesehen
von seinem künstlerischen Wert, der
Umstand, daß es unvollendet geblieben
und nur wenig über das Stadium der
Skizzierung hinausgekommen ist und
somit wertvolle Einblicke in das tech-
nische Arbeitsverfahren des Schnitzens
gewährt. Es ist zwar in seiner Relief-
bildung durchgeführt, aber die Ge-
sichter, Hände und übrigen Fleischteile
sowie auch teilweise die Gewandfalten
erscheinen mit dem Schnitzmesser nur
in einzelnen breiten Flächen und schar-
fen Kanten angelegt, wodurch die Tafel
außerordentlich lebendig und bewegt
wirkt.
Die Darstellung der Dornenkrönung
erscheint zu Anfang des XVI. Jahrhun-
derts zumeist in zwei Typen: einmal in
Profilwiedergabe, wobei wir den Erlöser,
die Kriegs- und Henkersknechte sowie
die befriedigt oder höhnisch zuschauen-
den jüdischen Priester und Schriftge-
lehrten in Seitenansicht vor uns sehen
(so in beiden „kleinen Passionen" Dürers
"f Auch das Specksteinrelief mit Adam und Eva des
Abb. 8. Buchsrelief mit dem Apostel Jakobus Berliner Museums (Vöge, 141), das in den Schulkreis des
dem Älteren von H. Schwarz, um 15:5 (Kaiser- Loy Hering gehört, hat ein Dürer-Monogramm und die
Friedrich-Museum, Berlin) Jahreszahl 1515.