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zur Herstellung der Raumesvorstel-
lung werden möglichst gemieden. Der
Künstler begnügt sich in gewollter
Primitivität mit zwei Flächen, einer
vorderen, aus der die Köpfe und
Hände vollplastisch hervorspringen,
und einer hinteren, in der die Land-
schaften und weitere ganz schwach
erhabene Figuren in kleinerem Maß-
stab eingeritzt sind. Es ist eine Mi-
schung von altertümlich strengem
und freiem Reliefstil. Im einzelnen ist
vieles vorzüglich: die strenge Klarheit
der Bewegungsmotive wie der Ge-
wandbehandlung, die vielen charakter-
vollen Greisenköpfe, die sprechenden
Hände, die Zierlichkeit des 0mamen-
talen. Was uns in der Annahme be-
stärkt, daß diese Reliefs von Gerhards
Hand modelliert sein müssen, ist ihre
nahe Verwandtschaft mit der Auf-
erweckung des Lazarus vom Grabmal
des Dr. Meermann in der Frauen-
kirche (Abb. 15), die stets für ein
Werk Gerhards gegolten hatfk Die
stilistische Übereinstimmung ist so
groß, daß ein und derselbe Autor an-
genommen werden muß. Stellt sich
doch das Meerrnann-Epitaph als eine
Umarbeitung der Auferweckung des
Lazarus in der Michaelskirche dar.
Abb. 2o. Hubert Gerhard. Engel in der Michaelskirche _ __ _ _ _
1., München D16 samtlrchen sieben Figuren des
Vordergrundes finden sich mit ge-
ringen Abweichungen in der Frauenkirche wieder. Weggelassen sind nur
die zwei Apostel zur Rechten, während die anmutige Gestalt der neben
Lazarus knienden Schwester hinzugefügt ist; auch der Hintergrund ist
i" Schon bei Lipowski, "Bayrisches Künstlerlexikon", 18m, Seite 69, MarggralT. „München und seine
Bauten", 1845, Seite x75 und Sighart, „Geschichte der bildenden Künste in Bayern", München 186:, Band II.
Seite 698. Vgl. Anton Mayer, „Die Domkircbe in München", 1568, Seite 25g. Das Grabmonument des Dr. Thomas
Meerrnann von Schönberg aus rotem Marmor, dessen Schmuck dieses angeblich mit zooo Gulden bezahlte
Relief bildete, stand früher in der nahen Salvatorkirche, wo es noch Rittershausen, „Merkwürdigkeiten der
Residenzstadt München", 1788, Seite x34, erwähnt. Da das Relief in der Georgskapelle der Frauenkirche in
der Nähe einer Grabinschrift aus dem Iabre x72! eingemauert wurden ist, sind die „Kunstdenkmale des König-
reichs Bayem" (Regierungsbezirk Oberbayern, 2. Teil, 1902, Seite 981) auf den Irrtum verfallen, dasselbe für eine
"trefflich komponierte und technisch vollendete, aber etwas leere Arbeit des XVlIl. Jahrhunderts" zu erklären;
ebenso Dehio, „Handbuch der Kunstdenkmäler", III, Seite 298. - Die Maße sind: Höhe gx, Breite x21 Zenti-
meter. Das Relief ist also fast ebenso breit und nur wenig höher als die der Michaelskirche.