MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 3 und 4)

Das Architekturproblem der Kleinsiedelung ist ein doppeltes: ein Problem des Stadt- 
baues, das die günstigste Verwertung des zur Verfügung stehenden Geländes und die Fragen 
der Straßenführung berührt, und ein Problem der Kleinwohnung, die Findung passender 
Typen, die mit dem geringsten Aufwand an Raum, Material und Geld den größtmöglichen 
realen und idealen Nutzen zu erlangen wissen. 
Bereits im Bebauungsplan der Kleinsiedelung fordert die Anlage des Straßennetzes 
in seiner sinngemäß zu erfolgenden Differenzierung nach Wohn- und Verkehrszwecken 
solche ökonomische Überlegung. Allgemein hat man mit überilüssiger Straßenbreite einen 
Luxus getrieben, der die anstoßenden Grundstücke und damit auch die Hauspreise und 
Mieten unnötig verteuert hat. Denn für Straßen mit durchgehendem Verkehr, wie ihn die 
halb ländliche Kleinsiedelung, die als Vorort weitab draußen vor der Großstadt liegt, höch- 
stens nur einmal, in ihrer I-Iauptader, aufweist, ist eine Breite von xo Meter, für Wohn- 
straßen dagegen von nur 5 Meter erforderlich, während die „Wohnwegeß wie sie unsere 
Dörfer und alten Städtchen noch vielfach besitzen, sich sogar mit einer Breite von 1-50 Meter 
begnügen können. Ebenso läßt sich eine beträchtliche Verbilligung durch die Straßen- 
herstellung, am besten die einfache Chaussierung, erreichen. Die noch vor kurzem viel 
erörterte Frage im Stadtbau, ob gerade oder krumme Straßenführung, behandelt man heute 
allgemein in einer von Fall zu Fall individualisierenden Weise: die krumme Straße ist vor 
allem da am Platze, wo die Geländeverhältnisse, zum Beispiel ein zu überwindender Höhen- 
unterschied, es verlangen. Die gerade Straße hingegen erscheint als der sinngemäßeste Aus- 
druck der kürzesten Verbindung zweier wichtiger Punkte im Stadtplan, einer architektoni- 
schen Zielstrebigkeit, die dann in monumental gehaltenen Abschlußbauten ästhetische 
Form findet. Vor allem gilt es natürlich, beim stadtbaulichen Entwurf darauf zu achten, 
daß der Straßenfernblick nicht ins Leere verläuft - wie so häufig in den schematischen 
Planungen moderner Großstädte w, sondern in gut gestellten Häuserfassaden stets seine 
festen Blickpunkte erhält. Demgemäß sind denn auch die Straßenkreuzungen durch Vor- 
schieben der Eckblöcke, Versetzen der Straßenmündungen usw. auszugestalten, wo an- 
gängig als geschlossene Plätze auszubilden. Nur darf man nicht, wie das warnende Beispiel 
des Potsdamer Platzes in Berlin zeigt, den Platz durch lauter Durchgangsverkehrslinien 
in seiner Eigenart wieder zerstören, sondern man muß, selbst bei zentraler Lage, für seine 
Abgeschlossenheit und umfriedete Stille, inmitten allen Verkehrs, Sorge tragen. Solche 
durchaus geschlossenen Plätze sind vor allem auch als Kinderspielplätze in den Klein- 
siedelungen auszunutzen. Sind sie von jeglichem Fuhrwerksverkehr verschont, so können 
sie die architektonische Form von „Wohnhöfen" erhalten, wie man sie beispielsweise noch 
in den alten Hansestädten Lübeck und Bremen in reizender Heimeligkeit antrifft: es ist 
das ein zu einem Binnenplatz ausgestalteter Baublock, den man nur durch Toreinfahrten 
betreten kann. 
Die Forderung der größtmöglichen Verbilligung der Heimstätten der Kleinsiedelung 
führt darauf, die Häuser möglichst typisch zu bauen. Der heute allgemein vertretene Grund- 
satz ist hier der, im großen zu typisieren und dann durch Abwechslung im einzelnen und 
kleinen individuellen Reichtum zu schaffen. Diese Typik verbilligt nicht nur den in der 
Ausführung unendlich wiederholbaren Entwurf, sondern sie läßt auch eine fabriksmäßige 
Herstellung der einzelnen Bauteile, wie etwa der Dachstühle, Türen, Fenster usw., zu. 
Sie verbürgt schließlich auch einen ästhetischen Vorteil größter, stilvoll geschlossener 
Einheit durch die sich proportional entsprechende Wiederkehr gleicher Baukörper, gleicher 
Dachneigungen, geometrisch ähnlicher Tür- und Fensterößhungen - einer Verhältnis- 
mäßigkeit, deren große Bedeutung der bekannte Stadtbautheoretiker Professor Dr. A. E. 
Brinckmann („Platz und Monument", Berlin 1908, „Deutsche Stadtbaukunst der Vergangen- 
heit", Frankfurt am Main xgn, „Stadtbaukunst des XVIII. Jahrhunderts", Berlin x9r4) 
mit Recht hervorgehoben hat. Ein weiteres Mittel zugleich der Verbilligung und der Ver- 
einheitlichung besteht darin, das Einzelhaus gegenüber dem Reihenhaus zurücktreten zu 
lassen. Beim Reihenhaus erspart man Wände, es besitzt größere Wärme; das dazugehörige
	        
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