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Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 3 und 4)

matische Vorführung der Architektur- und Dekorationsformen nach Sachen und Gattungen 
in Winckelmanns Sinn gegenüber der im XIX. Jahrhundert üblichen erzählenden Kunst- 
geschichte. Und hier hat denn auch Burckhardt ausnahmsweise einmal Schule gemacht: 
wenigstens die Arbeiten von Heinrich Wölfflin - „Prolegomena zu einer Psychologie der 
Architektur" (1886), „Renaissance und Barocke" (1889), „Die klassische Kunst" (r89g) - 
verraten deutlich den Einfluß Burckhardts. Wie viel tiefer er sich auf diesem Gebiet in 
spezifisch wissenschaftliche Fragen einließ, zeigt auch sein Briefwechsel mit l-I. Gey- 
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Es erhebt sich nun die Frage nach den Leitmotiven und den sachlichen Resultaten 
seiner Kunstbetrachtung. 
Schon auf der ersten Seite seiner „Kunstwerke der belgischen Städte" kündigte sich 
der „künftige Großpriester der Renaissance", wie ihn Waagen genannt hat, an, wenn es da 
vom Justizpalast in Lüttich heißt: „Die Säulen völlig in dem Stil gearbeitet, den wir Nord- 
länder sehr unpassend Renaissance nennen. Dieser Name würde wesentlich nur auf Italien 
passen, da die vom Norden hereingedrungene gotische Bauart es nicht zu einer einzigen 
klassischen Produktion gebracht hat und wo man deshalb über die Wiederbelebung der 
Antike (welche dort inländisch war, bei uns nicht) sich in der Tat freuen durfte. Im Norden 
dagegen ist die sogenannte Renaissance nichts anderes als das endliche Durchdringen jenes 
dekorativ-phantastischen Elementes, welches den germanischen Völkern vom Anfang an 
eigen war, aber in den strengen Formen der gotischen Kunst lange gebunden gelegen 
hatte. . ." In seiner Bearbeitung der 2. Auflage des „Kuglerschen Handbuches" macht er zu 
dessen ursprünglicher Charakteristik der neueren Architektur einen Zusatz zu ihren Gunsten 
gegen den spätgermanischen, wobei etwa auf den „Rhythmus der Massen" in der italieni- 
schen Baukunst von x 500 hingewiesen und ihre Richtung eine malerische genannt, ferner 
konstatiert wird, daß diese als Vorbild für die Unternehmungen der übrigen Länder gedient 
habe; er macht auf die Verwandtschaft des Geistes der italienischen Nation mit dem der 
Antike aufmerksam, aus der sich erkläre, daß sie zuerst mit Entschiedenheit auf die Formen 
der antiken Architektur eingehe; das germanische (gotische) Bausystem komme bei ihr 
nicht zu einer klaren Entfaltung. Im XV. Jahrhundert bilden die Italiener die antiken Formen 
selbständig fort, später fügen sie sich mehr dem antiken Vorbild. Dies sind lauter Vor- 
verkündigungen des „Cicerone". In der Architekturabteilung desselben wird die italienische 
Kunst des XV. Jahrhunderts zum erstenmal als „Früh-ä die des XVI. Jahrhunderts als 
„I-Iochrenaissance" bezeichnet. I-Iier steht auch der berühmte Satz: „Die Renaissance (in 
Italien) hatte schon lange gleichsam vor der Türe gewartet; in den romanischen Bauten 
Toskanas aus dem XII. und XIII. Jahrhundert zeigt sich bisweilen eine fast rein antike 
Detailbildung. Dann war der aus dem Norden eingeführte_ gotische Stil dazwischen- 
gekommen, scheinbar allerdings eine Störung, aber verbunden mit dem Pfeiler- und 
Gewölbebau im großen und daher eine unvergleichliche Schule in mechanischer Be- 
Ziehung . . . . und dies war die Erbschaft, welche die Renaissance übernahm." 
In der Malerei und Skulptur unterscheidet Burckhardt schon in den „Kunstwerken der 
belgischen Städte" eine idealistische und eine realistische Richtung, zunächst nur in Be- ' 
ziehung auf die germanische Kunst. Diese Unterscheidung hat nicht er erst aufgebracht; er 
fand sie schon in der Literatur seiner Zeit, auch Kugler hat sie. Aber in der Folge wird sie das 
I-Iauptmotiv seiner gesamten Kunstbeurteilung. Seine Sympathien stehen vom „Cicerone" 
an durchaus auf Seite der idealen Kunst, die ihm gleichbedeutend mit „hoher Kunst" ist; 
er EUÖCÜQSIC zuerst in den Meisterwerken der griechischen Plastik, später in den gotischen 
Dornen, in der gotischen Malerei und Skulptur, endlich in der Kunst eines Leonardo, RaEael 
und Tizian. Es ist die Kunstauffassung unserer klassischen Zeit, von Winckelmann bis 
Goethe und darüber hinaus. Doch läßt er auch die realistische Richtung, die auf Darstellung 
der Wirklichkeit, des Momentanen, der Fülle des Daseins ausgeht, gelten, sofern sie inner- 
" Siehe meine Anzeige desselben in dieser Zeitschrift, xgx3, I-Ieft 12.
	        
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