MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 3 und 4)

auf die Spuren eines glücklichen Daseins kommt: dies löst in ihm eine Glücksempiindung 
aus und auch für uns, für seine Leser wird er einWeiser zum Mitgenuß eines solchen Glückes. 
Bisweilen begnügt er sich, den Ausdruck des Glückes in dem Kunstwerk zu konstatieren, 
so wenn er von dem bärtigen Dionysos in der Sala della biga des Vatikan sagt: „er blicke 
mit hoher Wonne auf die von ihm beherrschte Welt". Die Schalkhaftigkeit der 16 Genien 
um die Nilstatue derselben Sammlung ist ihm gleichsam nur ein Ausdruck für „die stille 
Seligkeit des gewaltigen Stromgottes". Ein andermal ist ihm das Werk ein Zeugnis für das 
Glück seines Schöpfers: so hat er schon bei Homer die Empfindung, daß dieser Dichter 
glückselig gewesen sei. Dort, wo er die Behandlung der christlichen Symbolik in der 
italienischen Skulptur des XIV. Jahrhunderts bespricht, sagt er: „Wenn man inne wird, 
welchen heiligen Ernst und welche Treue Giotto und die Seinigen diesem Gedankenkreise 
widmeten, so bleibt kein Zweifel, daß sie davon überzeugt und beglückt waren." Aus den 
Bildern des Fra Angelico spricht ihm eine „friedensreiche tiefe Seligkeit" und „auch Murillo 
war ja ein innerlich beglückter Mensch". Eine besonders reiche Glücksernte bereitet ihm 
Rubens; gleich in der Einleitung seiner „Erinnerungen" sagt er, man treffe in dessen Persön- 
lichkeit und Lebenslauf „an so vielen Stellen auf Glück und Güte wie kaum bei einem 
andern von den großen Meistern". Claude Lorrain liebt er so, weil dieser „als reingestimmte 
Seele in der Natur diejenige Stimme vernimmt, welche vorzugsweise den Menschen zu 
trösten bestimmt ist". Mit dem Hinweis auf diesen wie auf Nikolaus Poussin nimmt er im 
„Cicerone" bekanntlich Abschied von seinen Lesern, indem er ihnen das ruhige Glück der 
Seele wünscht, das er bei Betrachtung der Kunstschätze Italiens genossen hat und „dessen 
Erinnerung ihm selbst aus den schwachen Nachbildungen jener hohen Meisterwerke so 
übermächtig entgegenkommt". E. Guglia 
RAÜTOFFS „NICOLAS PQÜSSIN"."' Der Versuch einer Bibliographie über 
Poussin umfaßt bei Grautoff 13 gespaltene Quartseiten; und doch fehlte unter dieser 
Fülle an Material die eigentliche, wissenschaftlich zusammenfassende Monographie über 
den klassischen Franzosen. Grautoff bietet sie hiemit; als ein monumental angelegtes 
Werk in zwei starken, mit Abbildungen sehr reich ausgestatteten Bänden, deren erster 
den Text und die Exkurse, deren zweiter Katalog und Abbildungen der Gemälde enthält. 
Das Buch ist - vor dem Kriege - aus der Pariser Umwelt des Autors heraus ent- 
standen, in einem künstlerisch und literarisch sehr vorgeschrittenen und entwickelten 
Kreise, dem Romain Rolland, L. Hautecourt, Derain und andere Matisse-Nachfolger 
angehörten, aus der neuerwachten Liebe zu der Größe und Gesetzmäßigkeit in Poussins 
Werk, dessen Bedeutung gerade die den Impressionismus ablösenden Stilsucher voll 
erkannten. Nicht was Poussin zum sogenannten Klassizisten stempelte, sondern was in 
ihm lebensfähig und Anregung für die folgenden Jahrhunderte war, hat Grautoff betont. 
Ja, er kann nicht nachdrücklich genug wiederholen, daß der Klassizismus nur eine und 
nicht die wertvollste Seite der Kunst Poussins bildet, daß seine ausschließliche Beschlag- 
nahme für den akademischen Klassizismus eine Geschichtsfalschung der französischen 
Akademiker seit Lebrun darstellt, und daß es in der Mannigfaltigkeit und dem Reichtum 
seiner Entwicklung Momente gibt, die nicht nur auf die vergangene französische Malerei, 
sondern auch noch auf Gegenwart und Zukunft zu wirken vermögen. So hat Poussin auch 
uns noch manches Lebendige zu sagen, so sehr wir geneigt sein mögen, ihn als eine 
historisch abgeschlossene fremdsprachige Größe zu betrachten und zu bewundern. 
Den I-Iauptnachdruck legt Grautoff auf die Herausarbeitung seiner künstlerischen 
Entwicklung, in die er alle seine bekannten Bilder einfügt, mit genauen Analysen jedes 
einzelnen. Über die tastenden Anfänge seiner Pariser und ersten römischen Zeit gelangt 
er zu der barocken Periode, die so bezeichnete Stücke enthält wie die Marter des 
heiligen Erasmus und den bethlehemitischen Kindermord: in ihnen nimmt es Poussin mit 
" Otto Grautoh} „Nicolas Poussin. Sein Werk und sein Leben". Zwei Bände. München und Leipzig, 
Georg Müller, 1914.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.