EZESSIQN. Die Funfzigste Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Öster-
reichs, deren Gründung unter dem Schlagwort „Sezession" so tief in das Wiener
Kunstleben eingegriffen hat, vollzieht sich unter ungünstigen Verhältnissen. Von den beiden
hauptsächlichen Programmpunkten, den jungen Kräften der Heimat eine Piiegestätte zu
sein und dem heimischen Publikum die Bekanntschaft mit den besten Leistungen des
Auslandes zu vermitteln, hat in letzter Zeit nur der erste Erfüllung finden können. Mit der
eigenen Bilderschau und der Angliederung des „l-lagenbundes" an diese Ausstellung hat
die Vereinigung ihre Gastfreundschaft neuerdings betätigt. Es muß ihr dies um so höher
angerechnet werden, als manches aus ihrem eigenen Schaffen dadurch erheblich schärfer
beleuchtet wurde, das scharfes Licht leider nicht mehr verträgt. Von dem, was einst,
mitgerissen durch die Begeisterung für höhere Leistungen, als zukunftsfroh gedeutet
wurde, ist vieles wieder im Schatten der Konvention versunken, die einst bekämpft wurde.
Und doch ist tüchtige Arbeit genug vorhanden, wenn auch wirklich Großes fehlt.
Immer lebt noch in allen jener Sinn für die dekorative Wirkung an der Wand, die Ein-
Fügung in eine Kunst des Raumes, die vom Gegenstande unbeirrt, über diesen hinaus zu
starker farbiger Wirkung vorzudringen vermag. Hier wären Fr. von Radlers Panneaux zu
nennen und Jungnickels phantasievolle Kompositionen, die in ihrer Art auf besonderen
Wegen eine bunte und doch abgestimmte Flächenwirkung anstreben.
In der Landschaft weiß R. l-larlfinger das gute Ornament mit kräftigem Natursinn
herauszugreifen, während F. X. Weidinger in abgestimmten altmeisterlichen Tönen die
Versenkung in lineare und farbige Feinheiten mit schönem Raumgefühl verbindet. Im
Stilleben herrscht die farbige Buntheit in maßvoll abgestimmter Kraft.
Einen ganz erfreulichen Eindruck der voll beherrschten Leistung bietet jener Raum,
der dem Kunstgewerbe und der Graphik eingeräumt ist. Dr. Rudolf junk bringt mit seinen
Bucheinbänden, farbigen Holzschnitten, so abgerundete Leistungen, daß man wohl von
einem erreichten Hochstand sprechen kann. Vielleicht ist es ein wenig auch ein Mangel,
aber sicher ist es zugleich ein Stolz des Wiener Kunstlebens, daß dem Kunstgewerbe die
volle Ebenbürtigkeit mit der hohen Kunst errungen wurde, daß hier der Wettbewerb mit
den Besten unserer Zeit erfolgreich kann bestanden werden, und daran hat die Sezession
ihren großen Anteil.
Auch dem Bildhauer F. Barwig, dem Meister der Kleinplastik, hat der Kontakt mit
dem Kunstgewerbe jene wertvollen Grenzen gesteckt, innerhalb deren sein Werk doch
wieder jene Vollkommenheit erreichen konnte, die ganz erfreut und befriedigt.
Die Graphik ist mannigfaltig und gut vertreten.
Ein neues Verfahren des „Handtiefdruckes", das Maler August Roth erfand und selbst
so reizvoll auszuüben versteht, das alte und so bewährte I-lolzschnittverfahren, in dem
Carl Thiemann besonders anziehende Arbeiten zeigt, die Handzeichnung und das Aquarell
sind in Illustrationswerken und Einzelblättern gut vertreten. So rundet sich das Bild "der
Ausstellung zu einem heiteren und anregenden, wenn auch nicht zu einem aufregenden
Eindruck. Die „Gesetztheit" beherrscht ihn ganz.
KUNSTLERHAUS. FRUHIAHRSAUSSTELLUNG 1918. Wenn nicht
einige Porträte aus hoher und höchster Gesellschaft und das Vorwiegen militärischer
Uniformen bei ihnen an die Gegenwart erinnern würden, die Frühjahrsschau der Künstler-
genossenschaft würde sich von zahlreichen Vorgängerinnen kaum unterscheiden. Gesell-
schaftliche, nicht künstlerische Ereignisse bilden den Grundton. Man begrüßt altbekannte
und beliebte Persönlichkeiten unter den Künstlern, bewundert Schönheiten der vornehmen
Welt, Landschaften, Städteansichten aus Gegenden, die als malerisch berühmt sind. Die
alten Geleise sind überall wieder beschritten und kein aufregender Versuch, sie zu über-
schreiten, stört die Ruhe der Besucher. Bedeutendes fällt nicht auf, trotzdem manche
Begabung in einem stärkeren Milieu zu höherer Leistung wachsen könnte; das Schwache
und Unzureichende wird nachsichtig eingereiht und hingenommen.