bar es klingt, es ist eine bedauerliche Tatsache, daß auf dem Gebiete der österreichischen
Kunstgeschichte, selbst wenig zurückliegender und höchst bedeutsamer Epochen, sowohl
die Materialien und Vorarbeiten als auch die abgerundeten und zusammenhängenden
Darstellungen vielfach fehlen. Hofrat Leisching hat es sich wiederholt zur Aufgabe
gemacht, solche wertvolle Arbeit zu leisten und abgeschlossene Charakterbilder auf-
zubauen. So hat er es kürzlich in einem Vortrag unternommen, die so interessante
Persönlichkeit des Fürsten Kaunitz zu beleuchten, der seine Kanzlerschaft unter Maria
Theresia, Josef II. und Leopold II. mit einer führenden Rolle auf dem Gebiete des
österreichischen Geisteslebens verband. Der tiefgreifende Einliuß einer energischen, mit
organisatorischem Talent und schöpferischem Willen ausgestatteten Persönlichkeit ver-
mochte die Grundlagen einer neuen Entwicklungsmöglichkeit auf den verschiedensten
Gebieten des Handwerks und der Kunstindustrie, der hohen Kunst und des Unterrichts-
wesens zu schützen, welche einWachsen und Gedeihen der in unserem Vaterlande so
reichlich vorhandenen Kräfte beförderten.
Jene Blütezeit heimischer Kunst, die noch den großen Vorzug besitzt, populär zu sein
und nachzuwirken. selbst in einer Zeit gänzlich veränderter Arbeitsgrundlagen, diese
starke und arbeitsfrohe Zeit verdient gar sehr ein liebevolles Studium und eine sachkundige
Schilderung ihrer wichtigsten Charakterzüge. Mit dem scharf umrissenen Bild des Fürsten
Kaunitz ist in viele wichtige Zusammenhänge ein aufklärendes Licht gebracht worden.
KLEINE NACHRICHTEN 50'
IEN. NEUERWERBUNGEN DER ÖSTERREICHISCHEN
STAATSGALERIE. Die Neuerwerbungen der k. k. österreichischen Staats-
galerie der Jahre rgiö bis 1918 haben sich in so stattlicher Weise entwickelt, sie geben
ein so reichhaltiges Bild österreichischer Arbeit, daß sie eine selbständige Aufstellung
in vier Räumen des Wiener Künstlerhauses fanden. Dort üben sie eine sehr anregende
und vornehme Wirkung aus. Vorerst ermöglichen sie die erfreuliche Feststellung, daß
die so wertvolle Sammlung dank ihrer ernsten und rührigen Leitung und vielfältiger För-
derung auch in den schweren Jahren des Weltkrieges gewachsen ist und ausgebaut werden
konnte, dann aber bieten sie durch ihre Qualität und ihren Gehalt hohen Genuß.
Ein Raum vereinigt die alten Kunstwerke jener frühen Epochen, die auf österreichi-
schem Boden eine Blütezeit erlebten. Die alpenländische Kunst, insbesondere die Tiroler
Malerschulen des Mittelalters und die alte steiermärkische Holzplastik, dann die Kunst der
Donauländer sind durch prächtige und trefflich erhaltene repräsentative Werke vertreten,
die um so wertvollere Erwerbungen bilden, als unsere Zeit mit Recht in erhöhtem Maße
dieser Kunstblüte Achtung und Verehrung widmet und das Bedürfnis fühlt, tieferen Ein-
blick in ihre Bedeutung und Entwicklung zu gewinnen.
Zwei andere Räume mit Werken aus dem XVIII. und XIX. Jahrhundert - unter
denen einige ausländische Kunstwerke von richtunggebenden Meistern in günstigster
Weise eingefügt sind (Cezanne, Daumier), zeigen, wie der vorhandene Besitz stetig aus-
gebaut wird, wie einzelne Erscheinungen des Kunstmarktes, so die Auktion Lubmeyr und
andere ähnliche Ereignisse, ausgenützt werden konnten.
So ist Pettenkofens Werk aus früherer Zeit erheblich vermehrt worden, dann sind
Künstler von weniger bekannter Meisterschaft zu Ehren gebracht worden (Edlinger,
Scheffer) und sind die Lieblinge unserer Sammler: Waldmüller, Füger, Dafiinger, Fendi,
durch feine und glückliche Arbeiten vertreten.
Eine Überraschung eigener Art bietet der vierte Raum mit den l-Iandzeichnungen
für alle, die ihr Urteil und ihre Meinung über Persönlichkeiten stets von Zeit zu Zeit
revidieren wollen. Ein glänzender Entwurf Makarts für den Stadttheatervorhang zeigt diesen
so oft falsch beurteilten Meister des breiten flüssigen Pinsels als vortrefflichen und schwung-