weniger gegliedert sind, ist einfach durch die Tatsache eines Umbaues zu
erklären, da bei einem solchen sowohl die Höhe der Geschosse als die
allgemeine Grundrißeinteilung festgelegt waren. Wir können uns sehr wohl
vorstellen, wie man beim Betrachten verschiedener, vom Künstler vor-
gelegter Arbeiten sehr bald erkannt haben mag, daß eine ähnliche Lösung
wie auf dem vorliegenden Blatte für den Wiener Bau sich fast von selbst
ergäbe, und daß es dem Künstler dann eigentlich nur mehr oblag, den
Gedanken den neuen Verhältnissen entsprechend abzuwandeln. Anders als
von Bau zu Bau, von Werk zu Werk ist die alte Kunst, wie jede gesunde
Entwicklung, ja niemals vorgeschritten.
Wir wollen damit aber durchaus nicht sagen, daß Quarenghi nun
die Erneuerung des ganzen Baues selbst durchgeführt habe; dazu hatte
er bei seiner Durchreise durch Wien sicherlich nicht Zeit genug. Ja er mag
nicht einmal die Entwürfe für das Ganze näher durchgeführt, sondern nur
die allgemeinen Richtlinien angegeben und zur weiteren Ausgestaltung in
seinem Sinn eben seine Zeichnungen zurückgelassen haben. Es ist auch
nicht ausgeschlossen, daß er schon früher solche geschickt habe; denn von
früheren Beziehungen des Künstlers zur Erzherzogin haben wir ja schon
gehört, und die Ähnlichkeit zwischen der Wiener und der Petersburger
Fassade kann wohl niemand leugnen. Vielleicht geht seine Tätigkeit aber auch
weiter, als wir hier annehmen. Jedenfalls herrscht in dem Baue sein Geist.
Es gilt dies sogar von mehr Innenräumen, als bloß von dem Speise-
saale, der in seiner heutigen Gestaltung als Festsaal dient. So entsprechen
das Stiegenhaus (mit Mäander und laufendem Hund in den Simsen) und die
Kapelle ganz seiner Richtung. ja, die Kapelle ist besonders bemerkenswert
durch ihre halbkreisförmige, nur gegen die gerade Eingangsseite etwas
verlängerte, Grundgestalt; die Halbkuppel mit Oberlicht, die Pilaster, der
laufende Hund und anderes lassen sich wieder ganz in Quarenghis Richtung
einreihen."
Auch andere Räume, wie der heutige Warteraum vor dem Zimmer des
Ministers und der untere Vorraum der Stiege, gehen mit Quarenghis Art
zusammen."
Die reichsten Räume sind das sogenannte Oktogon (das sich für uns
aber wegen der damaligen Lichtverhältnisse einer genaueren Besichtigung
" Herr Oberrechnungsrat Gustav Christ, dem die Verwaltung des Gebäudes obliegt, war so gütig, dem
Verfasser wenigstens eine oberdäcbliche Besichtigung der sonst öEentlich nicht zugänglichen Räume zu
ermöglichen, wofür ihm hiermit bestens gedankt sei.
m" Wir bemerken hier, daß die Eichengewinde mit gekreuzten Bändern, die sich im Wartesaal um die
großen Bilder finden, im unteren Vorraum wiederkehren, so daß man es offenbar mit einem ursprünglichen
Motive zu tun hat, nicht mit einer späteren Umgestaltung, wie es bei den Bildern zuerst scheinen mag; der
innerste Goldstab ist aber wohl neu.
Alt sind wohl auch die drei Figuren im Stiegenhause und die Kandelaber, sowie die Kandelaber im
großen Saale; nur sind hier die Postamente zu bezweifeln. Vielleicht standen diese Kandelaber ursprünglich
anderswo.
Über die beiden großen Bilder im Empfangsraum (Ansicht des Modena-Palastes auf der Landstraße und
Ansicht der Villa Este in Tivoli) siehe Englmann im Monatsblatte, a. s. 0., Seite 253. Die Ansicht des Moden:-
Palastes ist in dem, gleichfalls bereits erwähnten, Neudrucke des Aufsatzes im Wiener Kalender für das jahr xgr 8
zu finden.