Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
14. Jahrgang. Wien, 1. April 1922. Nr. 7.
JJtatieniscfie Sbufpturen.
Im Vordergründe der nächsten Kunstversteigerung
im Dorotheum steht eine Sammlung erlesener ita
lienischer Skulpturen des 14. bis 18. Jahrhunderts,
auf die ein überaus sorgfältig gearbeiteter und splendid
ausgestatteter Katalog die Aufmerksamkeit der inter
nationalen Sammlerwelt lenkt
Interesse erregt vor allem ein venezianisches Marmor
relief, darstellend die thronende Madonna mit Kind und
Stifter, das Dr. Buberl dem bekannten Madonnenrelief
der Estensischen Kunstsammlung in Wien voranstellt. In
dieselbe Stilgruppe fällt auch ein Madonnenrelief aus
Sandstein (rosso di Verona), das aller Wahrscheinlichkeit
nach von dem 1531 in Venedig verstorbenen Pyrgo-
te 1 es herrührt. Eine ausgezeichnete farbige Tonstatue der
stehenden Madonna mit dem segnenden Christus am Arme
ist einesichtlich von der Antike beeinflußte Arbeit aus dem
letzten Viertel des Quatrocento. Von Alessandro Vittoria
stammt eine Bronzestatuette der Minerva: eine Reprise
mit einer leichten Variante in der Haltung der Arme
befindet sich in der Sammlung Pierpont Morgan in
New-York. Antonio Lombardo ist mit einem orna
mentalen Relief in der Art jener aus der Augusteischen
Zeit vertreten. Betreffs einer Sandsteinstatue des hl.
Sebastian gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander.
Während Leo Planiscig die Statue für mailändisch,
Richtung Giovanni Antonio Amadeo (Pavia 1447—1522-
Mailand) oder des Benedetto B r i o s c o aus Pavia
(tätig vom 1480—1506) hält, neigt Buberl der Ansicht
zu, daß man es hier mit einer venezianischen Skulptur
dieser Zeit zu tun habe. Antonio G ai endlich ist durch
zwei bedeutende Arbeiten repräsentiert: eine allegorische
Marmorfigur der Malerei und die Marmorgruppe „Venus
beschneidet dem Amor die Flügel“.
Die Antike ist durch einige vorzügliche Arbeiten
vertreten, darunter durch ein Elfenbeinköpfchen der
Athene, das offenbar die Nachahmung eines chryse-
phantinen Götterbildes griechischer Herkunft ist. Dieser
Kopf ist bei der großen Seltenheit antiker Rundplastiken
aus Elfenbein besonders in so feiner Ausführung von
hoher Bedeutung.
Unter den kunstgewerblichen Arbeiten des
15. bis 17. Jahrhunderts, die Direktor Dr. Braun aus
Troppau expertisiert hat, fallen uns einige prachtvolle
Figuren aus Würzburger Porzellan auf., das nur sehr
selten auf dem Kunstmarkt auftaucht. Überaus dekorativ
wirken die Schweizer Wappenscheiben, von denen
namentlich die des Claude Cas'tella aus dem Jahre 1638
hervorzuheben wäre. Ein Museumsstück ist die „Point
de France“, die wohl noch unter dem vierzehnten Ludwig
in Frankreich gearbeitet wurde. Ein ähnliches Stück aus
dem österreichischen Museum ist in Dregers „Ent
wicklungsgeschichte der Spitze“ und bei M. Schütte
„Alte Spitzen“ abgebildet.
Unter den Gemälden wäre in erste Linie die
Originalskizze zu Sebastiano R i c c i s großem
Gemälde „Das Wasserwunder Mosis“ zu nennen. Das
Gemälde, das Ricci für die Kirche S. S. Cosma e Da
miano in Venedig gemalt hat, verschwand nach Auf
lassung der Kirche zu Ende des 18. Jahrhunderts, bis
es vor einigen Jahren in schwerbeschädigtem Zustande
in der Pfarrkirche S. Vito d’Asolo bei Treviso- aufge
funden und zur Restaurierung in die Galerie in Venedig
gebracht wurde. Derzeit ist das riesige Bild (8 zu 6 m),
das in Einzelheiten von der Skizze abweicht, in der
Sakristei von S. Stefanus in Venedig aufgestellt, die wun
dervoll erhaltene Skizze gibt aber eine weit bessere
Vorstellung von der Kunst Riccis, als das ruinös ausgeführte
Großbild. Den hervorragenden Caracci-Schüler Lorenzo
Garbieri bewundern wir in der „Geißelung Christi“,
Alessandro L o n g h i zeigt in dem Bildnis eines vene
zianischen Admirals, daß er als Porträtmaler seinem
ungleich höher geschätzten Vater Pietro nicht nachzu
stellen ist. Giacomo da Ponte (Bassano) erscheint unter
anderem mit einer Darstellung Noahs nach der Sint
flut, Jacoppo Bassano mit der „Verlobung der heili
gen Katharina“. Von Francois Clouet finden wir in
der Sammlung ein Bildnis der Anna d’ Este, Madame
de Nemours, Tochter des Herzogs Ercole d’ Este in
einem reichgeschnitzten und vergoldeten Rankenrahmen,
der. von K. Th. von P i 1 o t y in München entworfen
wurde. Die Schule des Jakob Jordaens vertreten „Das
Urteil des Midas“ und „Die Schindung des Marsyas“
Den Schluß bilden „Englische Farbstiche“,
darunter „Hobbinol und Ganderetta“ von Gainsbo-
r o u g h, zwei Blatt von R e y n o 1 d’s („The Mask“
und „The Ghost“) die Primelverkäuferin und die Milch
verkäuferin von F. W h e a 11 e y.