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Prajektskizze für einen Aufbau auf das Kunstgewerbeschulgebäude von Baurat Frzimut, 1908
abgüsse, Galvanoplastiken und Photographien und wir werden alle diese
Menschen durch Bücher und Vorträge diese alten Kunstwerke verstehen
lehren. Dann werden diese Menschen erkennen, daß es besser ist, sich der
schönen Formensprache der Vergangenheit zu bedienen, als selbst neue,
häßliche Formen zu erfinden. Und da diese schönen Vorbilder der Ver-
gangenheit nicht unverändert für unsere heutige Industrie, unser heutiges
Gewerbe verwendbar sind, so laßt uns fachlich geschulte Zeichenkünstler
erziehen, die jene Vorbilder frei nachzubilden verstehen, und laßt uns zu
diesem Zweck der neuen Erfüllung unserer Gewerbe mit Kunst eine eigene
Schule schaffen, eine Kunst-Gewerbe-Schule."
So etwa mag jene Zeit gedacht haben und so ist es zu verstehen, daß
die Kunstgewerbeschule als Zeichenschule gegründet wurde, daß sie als
Behausung eine Reihe von Zeichensälen erhielt.
Heute ist es nicht schwer, den Irrtum dieses Gedankenganges auf-
zudecken, zumal wir die bösen Früchte, die er gezeitigt hat, vor Augen
haben. Er lag in der Annahme, daß Kunst und Gewerbe bloß graduell ver-
schieden seien, daß das Gewerbe eine Art niederer, unreinerer Stufe der
Kunst sei, daß man also ein Gewerbe bessern und heben könne, wenn man
es der Kunst annähere, es mit Kunstelementen versetze und seinen Arbeits-
kräften eine künstlerische Erziehung gewähre. Weil Kunst, um sich mit-
zuteilen, ähnliche Werkstoffe und Arbeitsweisen benützt wie das Gewerbe,
wurden ihre ganz anders gearteten Absichten übersehen. Weil die Wirkungen,
die vom hochstehenden Handwerkserzeugnis ausgehen, an Intensität denen
des Kunstwerkes gleichkommen können, wurde die von Grund aus ver-
schiedene Wesenheit dieser beiden Wirkungen nicht erkannt. Dieses Miß-
Verständnis konnte nur einer Zeit begegnen, die ein vorwiegend Verstandes-