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zahl heben zu wollen, ist ein allzu bequemes Verfahren. Es müßte ja folge-
richtig zur Aufhebung der Anstalt führen, was unmöglich der Sinn ihrer
Gründung gewesen sein kann. Die Erwerbsschwierigkeiten der Absolventen
sind vielmehr dadurch zu beheben, daß die Schüler zu einer größeren Zahl
von Erwerbsmöglichkeiten und zu vollkommener praktischer Brauchbarkeit
in den besonderen Fächern ihres Studiums erzogen werden. Das geht nicht
ohne Werkstättenarbeit und diese verlangt räumliche Ausdehnungsmög-
lichkeit.
Die Erwerbsschwierigkeiten der Absolventen der Kunstgewerbeschule
betreffend, die von Gegnern der Anstalt so gerne betont werden, wird
übrigens folgende Erwägung statthaft sein: Der Kunstgewerbeschüler ist
von dem Augenblick an, da er die Anstalt verläßt, vollkommen auf sich
selbst angewiesen. Nur wenige sind so glücklich, Meistersöhne zu sein und
ihre Studien in klarem Hinblick auf die künftige Geschäftsübernahme
betreiben zu können. Um sich selbständig zu machen, fehlt den meisten das
nötige Kapital. In bestehenden Betrieben unterzukommen, haben aber gerade
die besten, reifsten und - charaktervollsten Absolventen am wenigsten Aus-
sicht, da diese Betriebe in ihrer Mehrzahl ja doch von merkantilen und nicht
von Qualitätsrücksichten beherrscht werden. Gönner tindet der junge Kunst-
gewerbler viel seltener als der junge Maler oder Bildhauer. Gemeinnützige
Einrichtungen zur Verwertung kunsthandwerklicher Erzeugnisse fehlen. Erst
die Verkaufsstelle des Österreichischen Werkbundes hat in letzter Zeit dies-
bezüglich dankenswert eingegriffen. Stellen wir uns nun vor, es würden für
die Absolventen der Universitäten und technischen Hochschulen nicht die
vielen öffentlichen und privaten Anstellungsmöglichkeiten offen stehen,
sondern sie alle wären genötigt, als Privatgelehrte und Erfinder und Ent-
decker ihr Brot zu verdienen. Wie stünde es um ihre Erwerbsfähigkeit?
Ob angesichts der gegenwärtigen Zeitlage noch zu hoffen ist, daß die
Zukunft der Kunstgewerbeschule die reicheren Lebensbedingungen bieten
werde, die ihr die Vergangenheit vorenthalten hat, scheint ungewiß. Wir
stehen vor grundlegenden Umgestaltungen unseres ganzen öffentlichen
und wirtschaftlichen Lebens. Wer wollte heute sagen, ob eine noch so
gründlich und systematisch ausgebaute Kunstgewerbeschule unter den
neuen Verhältnissen noch Sinn und Berechtigung haben werde, ob diese
nicht ganz andere Formen des Lehrens und Lernens hervorbringen werden?
Mag ebensowohl sein, daß die neue Zeit unser Wirken erst recht betätigen
und enthüllen wird, daß die Kunstgewerbeschule unbewußt die Vorstufe
jener Arbeitsschule der Zukunft war, von der weitausblickende Pädagogen
sprechen. Sei dem wie immer. Eines lehrt die fünfzigjährige Arbeit, die wir
überschaut haben, gewiß: Sie hat, wie ich gezeigt habe, nicht besonders
glücklich eingesetzt und ist unter ungünstigen Bedingungen fortgesetzt
worden. Und doch hat unsere Schule eine reiche Zahl tüchtiger, ja manche
hervorragende Menschen erzogen. Ein Künstler höchsten Ranges: Gustav
Klimt, ist ihr entsprossen. Arm und bedrängt war sie zeitlebens und doch