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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 3, 4 und 5)

und seine Sehnsuchtsträume miterleben, ist doch kein Weltbürger in der Kunst geworden. 
Er ist der Eingeborene jener großen, aber doch so engen Stadt geblieben, in der die Kunst 
zumeist nicht als das höchste Ziel des menschlichen Schaffens begriffen wird, so viele 
große Künstler auch in ihren Mauern schon gedarbt haben. 
Das Wienerische, das Bodenständige, wie man so gerne sag-t, verschalft den Ge- 
wandten, Geschichten, Gefälligen den Beifall und Erfolg, den Großen aber Entbehrungen 
und Leiden. - 
EUE VEREINIGUNG. Eine Gruppe von 13 Künstlern und Künstlerinnen hat 
einen neuen Bund geschlossen und vereinigt ihre Arbeit zur Schau gestellt. Malerei, 
Plastik und Graphik. Die Malerin Hildegard jone ist auch als Schriftstellerin mit Gedanken 
über Kunst im Ausstellungskatalog vertreten. Sie scheint dabei eine Führerrolle zu spielen; 
ihr Bildnis ist plastisch, malerisch und graphisch dargestellt. Ihre Worte sind voll Be- 
geisterung und Ekstase. Manches davon wirft ein Licht auf die Ziele der Vereinigung, die 
sich als Kern denkt, „an den in Gesinnung und Können verwandte Kräfte sich bald und 
in Zukunft anschließen sollen". Solche werden angerufen zum Anschluß, „sobald sie ihre 
Arbeiten nicht als Gegenstand des Handels betrachten" und dem Gesichtspunkt künstleri- 
scher Qualität entsprechen. „Kunst ist ihnen der Menschheit eigentlichstes Mal und Merk- 
mal." „Sie ist der Niederschlag ihrer Siebenfarbeninbrunst." „Expressionismus! Alles, was 
sich mit dem gewohnten Leben nicht deckt, wird Hieroglyph des Geheimnisses der Dinge." 
In dieser Begeisterung für die Siebenfarbenfolge entstanden viele der Werke, die 
einen wahren Farbenrausch atmen. Kraftvoll, wenn auch manchmal recht derb und wild 
der Leiter der Vereinigung Viktor Tischler mit lebendigen Porträten. Abgestimmter und 
tonig und doch im tiefsten Schatten noch farbig der ernste Sturm-Skrla in Landschaften 
und Bildnissen. Phantasievoll und heiß, inbrünstig Hildegard Jone in einem farben- 
glühenden biblischen Zyklus. Zart und verschwimmend in feiner Tonung Fr. Knappisch 
in seinen Landschaften. Die Plastiken Josef Humpliks zeigen eine fein abgewogene Form- 
gebung, die seiner graphischen Arbeit fehlt. Diese ist ganz nur Linienspiel. Dafür zeigen 
die prächtigen Holzschnitte Robert Philippis eine ernste, würdige Ausdruckskunst, die mit 
den vereinfachten strengen Formen soviel zu sagen weiß und stets auch die geschlossene 
ornamentale Wirkung der raumfüllenden Linien beherrscht. Gute Studienköpfe der Por- 
trätmaler ergänzen ihr farbiges Werk. In Brusenbauchs feinen Aktstudien lebt die intime 
Naturbeobachtung, die sich in die Erscheinung ganz einzufühlen versteht. Hier ist Kontem- 
plation die Hauptsache. 
Die Zahl der Werke ist nicht groß. Die Auswahl und Darbietung zielbewußt. Es 
scheint eine Einheit des Strebens und Schaffens am Werke, die neue und besondere Aus- 
drucksmöglichkeiten sucht und innere Bewegtheit und Ergriffenheit ahnen läßt. Es ist ein 
Anfang in würdiger Form von Gleichgesinnten mutig unternommen, um das Erkannte 
stärker zu betonen, als es der Einzelne zu tun vermag. 
ERSCHEL O. Ein Teil der Räume, welche früher von der Vereinigung bildender 
Künstler Österreichs mit Frauenarbeit gefüllt zu werden pliegte, ist nun von einem 
neuen Unternehmen, das in seinem Titel die Devise „Zeitkunst" führt, Sonderaus- 
stellungen gewidmet worden. O. Hersehel, aus dem Künstlerhause wohl bekannt, zeigt 
seinen gewandten Pinsel, der leider nur zu oft dem Gefallsamen huldigt. Hier tritt er 
ernster auf, läBt Studien aus Holland sehen, wo seine feine Tonempfindung offenbar die 
gute Schulung fand. Auch größere Bildnisstudien zeigen eine breite und malerische Art der 
Darstellung, die höher steht als diejenige, welche die netten Bildchen zeigen, die so oft 
denselben gefälligen Gegenstand wiederholen und dem Namen l-Ierschels nicht jenen 
Rang verschaffen können, den er doch wohl erringen könnte. 
Die Ausstellung bietet allen jenen eine Genugtuung, die in den Biederrneierinterieurs 
des Künstlers mehr sahen, als solche Dinge gewöhnlich zu sein pflegen, so oft sie auch
	        
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