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JOHANN GOTTFRIED SCHADOW UND DIE
BERLINER PORZELLANMANUFAKTUR St.
VON GEORG LENZ-BERLIN-S-ß
ER Geschi_chte der Figurenplastik in der Berliner
Porzellanmanufaktur nachgehend, trifft man nur
vereinzelt auf wirklich hervorragende Arbeiten,
die sich über die breite Masse kunstgewerblichen
Mittelgutes erheben. Ein Künstler ersten Ranges,
wie ihn Meißen in Johann Joachim Kändler, Fran-
kenthal in Konrad Linck, Nymphenburg in Franz
Bustelli, Ludwigsburg in Wilhelm Beyer und
Höchst in Johann Peter Melchior besessen haben,
ist der Berliner Manufaktur nicht beschieden ge-
wesen. Ihre Geschichte zeigt vielmehr deutlich die
große Gefahr, die gerade für ein staatliches Institut die Anstellung eines Modell-
meisters von geringer oder durchschnittlicher Begabung mit sich bringt, der
dann vermöge seiner Amtsgewalt Jahrzehnte hindurch einen entscheidenden
Einfluß auf die gesamte plastische Gestaltung gewinnt. Mag für die Gefäßkunst
auch innerhalb eines größeren Zeitraumes das einheitliche Gepräge nicht
unerwünscht sein, das ihr die führende Hand eines einzelnen Künstlers
verleiht, in der figürlichen Plastik, die mit der hohen Kunst mehr als jene
in Wettbewerb tritt, ist eine derartige Beschränkung unerträglich. Selbst
die friderizianische Plastik der Manufaktur, in der der anfangs durch eine
sprühende Lebendigkeit der Formengebung ausgezeichnete Modellmeister
Friedrich Elias Meyer sich auslebt, ermüdet durch die Gleichartigkeit und
langsam sich vollziehende Verflachung seiner Modelle. Unter Karl Friedrich
Riese, der von 1789 bis 1834 das Amt des Modellmeisters inne hatte, wäre
dieselbe Erscheinung noch störender hervorgetreten, wenn nicht der um die
künstlerische Entwicklung der Berliner Manufaktur hochverdiente Staats-
minister Freiherr von Heinitz, der als Kurator der Akademie der Künste nach
dem Tode des Großen Königs auch die oberste Leitung der Porzellan-
manufaktur in Händen hatte, von Anfang an dem (heute wieder mit gutem
Erfolg angewandten) Grundsatz der Heranziehung frei schaffender Künstler
zu gelegentlicher Mitarbeit, besonders bei größeren Aufgaben des Instituts
Geltung verschafft hätte. Neben dem Architekten Hans Christian Genelli, der
mehrere Tafelaufsätze für die Manufaktur entworfen und auch ihre Gefäß-
gestaltung im Sinne des Klassizismus entscheidend beeinilußt hat, war es vor
allem der führende Berliner Meister jener Zeit, Johann Gottfried Schadow,
dessen durch Heinitz veranlaßter wiederholter Mitwirkung die Manufaktur
einige ihrer schönsten Modelle verdankt.
Die Verbindung ergab sich ganz zwanglos dadurch, daß Heinitz die
Honorare für die großen Bildhauerarbeiten Schadowsi mehrfach aus den
t Vgl. G. Kolbe, "Geschichte der Königlichen Porzellanmanufalnur zu Berlin", Berlin 1863, Seite 2m.
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