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EIN SKIZZENBUCH DES ANDREA BRUSTO-
LON'IM MUSEO CIVICO ZU BELLUNO 50
VON OSWALD KUTSCHERA-WOBORSKY-
WIENSP
ER erhaltene Bestand an gesicherten und auf den
Autor einwandfrei bestimmten Bildhauerzeich-
nungen ist verhältnismäßig gering. Denn meistens
wird ihre genauere Einreihung an der schwer
anwendbaren Methode, Zeichnungen und (drei-
dimensionale) Bildwerke in eine mehr als allge-
mein dem Zeitgeist entsprechende Relation zu
bringen, scheitern müssen. Deswegen kann eine
strenge Kritik nur in vereinzelten Fällen Be-
stimmungen solcher Zeichnungen über den
Rahmen von Schule und Zeitansatz wagen; und
erst die Unterstützung, die äußere Anhaltspunkte, wie Beischriften, An-
merkungen, Signaturen etc. gewähren, wird eine individualisierende Unter-
scheidung einzelner Meister und Hände gestatten. Der zufällige Charakter
dieser durch äußere Vorbedingungen ermöglichten Bestimmungen bedingt
daher, daß in dem auf uns gekommenen oder bisher uns bekannten
Vorrate derartiger Blätter keine einheitliche Verteilung vorherrschen kann.
Gegenüber künstlerischen Persönlichkeiten, von denen wir eine beträcht-
liche Anzahl beglaubigter Zeichnungen besitzen, stehen ganze Kunst-
perioden, in welchen die wenigsten Blätter mit einiger Sicherheit näher
bestimmt werden können. Es müßten daher systematische Nachforschungen
in den Sammlungen, Bibliotheken und Archiven eingeleitet werden, wie
dies zum Teil zur Erforschung der Architekturzeichnungen schon in Angriff
genommen wurde. _
An dieser Stelle soll eine Reihe von Handzeichnungen des Belluneser
Bildhauers Andrea Brustolon (x662 bis 1732) besprochen werden, die, in
einem modernen Klebeband vereint, im Jahre Igoo dem Museo Civico von
Belluno zum Geschenk gemacht wurden. Die Seltenheit eines derartigen
Fundes und der Umstand, daß diese Zeichnungen in Hinblick auf die größten-
teils kunstgewerblichen Arbeiten gewidmete Tätigkeit des Bildschnitzers
eine unerwartet gute Qualität aufweisen und daher an sich selbst als Kunst-
werke zu werten sind - und nicht nur als willkommenes Material, welches
uns Einblick in die Werkstätte Andreas gewährt -, vermehren das Interesse,
mit dem wir ihre Veröffentlichung unternehmen. Auch wird fraglos jeder
Beitrag erwünscht sein, der zur Ausfüllung der Lücken, die in der Geschichte
des Kunstgewerbes der Barockzeit noch offen stehen, dienlich sein könnte.
Die Sicherheit, daß mit der dem Sammelbande aufgedruckten Auf-
schrift, die die Skizzen als Arbeiten Brustolons bezeichnet, das Richtige
getroffen wurde, wird auf verschiedene Weise bestätigt. Mehrere dieser