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an, die eben nur einen Idealtypus hinstellen wollte. Die schweren, in reiche
Falten gelegten Gewänder tragen dazu bei, die Gestalten über das mensch-
liche Maß hinauszuheben. Da die Gruppe von Anfang an dem Blick von
allen Seiten ausgesetzt war, so mußten die vier heiligen Personen als
Freitiguren gearbeitet werden. Dieser Aufgabe wird Reichel vollkommen
gerecht. Ganz prachtvoll und mit sichtbarer Liebe ist auch die Rückansicht
der Gottesmutter modelliert (Abb. 4). In der gewollten Kompliziertheit des
Faltenwurfs und dem Arbeiten mit starken Licht- und Schattenwirkungen
weicht der Künstler von dem italienischen Schönheitskanon der Renaissance
schon ganz erheblich ab.
Auf der Rückseite des Altars unter dem Kreuz ist eine kleine Bronze-
tafel (hoch 46, breit 73 Zentimeter) rnit dem Wappen des Abtes Merk, einem
Lamm, angebracht, die uns Reichels Talent von einer anderen, liebens-
würdigen Seite zeigt (Abb. 5). Wie zwanglos und elegant sind die beklei-
deten großen und die nackten kleinen Engel zu der ganz im Sinne der
Bologna-Schule dekorierten Wappenkartusche hinzukomponiert, so daß ein
anmutiges Ganzes entsteht. Die Farbe der Bronzen in St. Michael und
St. Ulrich, namentlich er- '
sterer, ist auffallend rötlich,
fast kupferartig, dabei durch-
sichtig und klar ohne jede
Patinabildung. Auch das
weist auf die Bologna-Schu-
le, die einen transluziden
Firnis anzuwenden liebte.
Bekannter als derKreuz-
altar ist dem BesucherAugs-
burgs Reichels Hauptwerk,
die Kolossalgxuppe des Erz-
engels Michael im Kampfe
mit Luzifer an der Fassade
des Zeughauses (Abb. 6).
Nach einer Inschrift über
dem Tore ist die Gruppe
1607 aufgestellt worden.
Einem glücklichen Fund
des Archivadjunkten Dr. H.
Wiedemann verdanken wir
jetzt genaue Nachrichten
über die Entstehung dieser
bedeutenden deutschen
Großplastik. Im Stadtarchiv
fand sich nämlich der Ver-
trag, den Matthäus Welser, Abb. a. Taufbecken in der Ulrichskirehe zu Augsburg
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