wundern, die den Zweck größerer dekorativer Berei-
cherung gegenüber dem Original verfolgen. Diese Freiheit
hat sich der Teppichwirker stets gewahrt, solange er nicht
gerade in der täuschenden Wiedergabe der Malerei sein
Ziel sah." Um eine leer wirkende Fläche des Freskos zu
füllen, ist der Baumstamm links beim Sündenfall mit Laub-
werk besetzt worden.
Daß bei Übertragung in die Bildwirkerei manche
künstlerischen Werte des Originals verlorengegangen,
liegt zum Teil in der Natur der Sache, zum Teil aber auch
in dem Umstand, daß der Kartonzeichner des XVIII. Jahr-
hunderts zweifellos einen Kupferstich nach den Originalen
als Vorlage benützt hat." Schwung und Ausdruckskraft
der Originalakte sind beim Sündenfallteppich nicht er-
reicht.
In der Farbenstimmung der Wandteppiche ist ein
Einfluß französischer Gobelins wahrnehmbar. Figuren
und Landschaft sind koloristisch gegeneinander gut ab-
gewogen. Die Körper des ersten Menschenpaares haben
leuchtendes Inkarnat mit leichter Schattengebung. Bei
Gottvater sind die hellen Lichter und roten Töne des
iiatternden Gewandes sehr wirkungsvoll herausgearbeitet.
Der landschaftliche Teil der Gemälde, ein Haupt-
faktor in der wunderbaren Komposition der Originale, ist
auch in den Teppichen vorzüglich behandelt. Die Detail-
durchführung geht mit den Stichen"'" zusammen, was
für die Benützung solcher als Vorlage spricht. In der
Wiedergabe landschaftlicher Details wird die Manufaktur
besonders eingearbeitet gewesen sein. Wir finden näm-
lich in Inventaren und Verzeichnissen gerade um die Zeit
der Herstellung unserer Arbeiten sehr häufig „Land-
schaftsdarstellungen" (wohl Monats-, Jahreszeiten- oder
jagdbilder) erwähnt.
Von großem Interesse ist die 40 Zentimeter breite
Bordüre der Teppiche. Akzentmäßige Schmuckbildungen
4' Auch van Aelst hat bei der Raßaelschen Teppichfulge der Apostel-
geachichle solche Zutaten angewendet, zum Beispiel die Musterung des Gewandes
Christi bei der Schlüsselilbergabe. Vgl. Kumsch, „Die Apostelgeschichte", Dresden
1914, Seite g.
H Über die zahlreichen Vervielfältigungen der Loggienbilder im XVII. jahr-
hunden vgl. Passavant, a. a. 0., II, Seite 206 a-h.
1'" Nicol. Chapron, 54 Bl. 1649 oder Pietxo Aguila und Cesare Fantetti,
52 B1. 1674.
Bordüre des Wandteppichs mit dem Sündenfall