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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 1 und 2)

Unsere Vermutung, daß „Anzirevelle" nichts weiter sei als der korrum- 
pierte Name Hans Reichle" oder Reuchle (Reuchlen, Reichlin), wird für den, 
der häufig solchen Umbildungen nordischer Namen in Italien nachzugehen 
hat, sprachlich genommen nichts Auffallendes haben. Der Name hätte aus 
italienischem Munde gesprochen gar nicht anders lauten können." Der 
Bologna-Schüler „Ansi Tedesco" (I Hans der Deutsche) kommt zudem 
auch urkundlich vor: er liefert 1601 oder 1602 das Modell für eines der 
vielen Reliefs der 1603 vollendeten Bronzetüren des Domes zu Pisa, an 
denen die bekanntesten Schüler Bolognas, Franqueville, Tacca, della Bella, 
Caccini und andere mitgearbeitet hatten. Espist eine Geburt Christi,""'"' die, in 
der Komposition an niederländisch-deutsche Manieristen anklingend, in Aus- 
führung und Technik das Vorbild des Meisters zwar ebensowenig erreicht 
wie die übrigen Reliefs der Schule, immerhin aber eine ansprechende 
Leistung ist (Abb. 1). Unter dem Namen Ansi findet sich dieser deutsche 
Bologna-Schüler sonst nicht erwähnt, wohl aber läßt er sich'als „Giovanni 
Tedesco" in den Jahren 1591 bis 1593 im Atelier Bolognas nachweisen. Bei 
der Herstellung der Reiteriigur Cosimo Medicis für die Piazza della Signoria 
in Florenz scheint dieser Hans der Deutsche in hervorragender Weise 
beteiligt gewesen zu sein. In dem Protokoll, das Bologna am 27. September 
1591 mit dem Gießer Alberghetti über den Guß des Pferdes aufnimmt, wird 
er an erster Stelle unter den von beiden zu diesem Zwecke ausgewählten 
Gehilfen genanntj- und am 7. Oktober 1593 erwähnt ihn Bologna in einem 
Schreiben aus Venedig im Zusammenhange mit derselben ReiterstatuexH- 
Nach den mitgeteilten Tatsachen ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, 
daß dieser Deutsche Hans ein und dieselbe Person ist mit Ansi und Anzi- 
revelle, nämlich Hans Reichel aus Schongau in Bayern. Etwaige Zweifel an 
dieser Identifizierung dürften vollends verstummen, wenn es sich heraus- 
stellt, daß Reichels Werke in einer engen Beziehung zur Kunst Bolognas 
stehen. Dieser Zusammenhang ist aber so auffallend, daß man auch ohne 
die Erwähnung des Bologna-Schülers Anzirevelle durch Baldinucci auf ein 
besonderes künstlerisches Verhältnis zwischen beiden schließen müßte. 
Bevor Reichel imjahre 1603 in Augsburg auftaucht, hat er bereits 1595 
ein einzelnes, von der Literatur meist übersehenes Werk in München ge- 
schaffen, nämlich die lebensgroße Magdalena am Fuße des Kruzitixes, das 
' So schreibt er selbst seinen Namen. 
4'" Analog wird in dieser Zeit aus dem niederländischen Erzgießer Pieter de Neu ein Pietro de Neve. 
Vgl. Lill, „Hans Fugger und die Kunst", Leipzig, 1908, Seite 47, 118 und 185. 
"k" Dieses Relief hatte ursprünglich der Goldschmied Giovanni Catesi am 15. Oktober 159g in Auftrag 
erhalren. Da aber das Modell und die gleichfalls von ihm modellierte Anbetung der Könige den Gießer Domenico 
Portigiani (gestorben 5. Februar 16m2) nicht hefriedigten. rnußten für ersteres Ansi und für das andere Tacea 
(1601) neue Modelle machen: Supino, "Le porxe del Duomo di Pisa", .,L'ane", II (1899), Seite 387. Beste 
Abbildung des Ansischen Reliefs bei Michel, „l-Iistoire de PAn". V, z, Paris, 1913, Fig. 427. 
1- Mirgeteilt nach den von jodoco di Badia veröientlichten Urkunden in Zahns "Jahrbuch für Kunst- 
wissenschaft", II (1869), Seite 82. - Unter den 18 Namen kommen auch Antonio Susini und Francesco della 
Bella vor. 
H- Bologna an Girolamo di Ser jacopo: „De pieü V(ostra) Sügnoria) rne fa sapere che la nosu-o opera 
di boxega pasa hene, anzi henissimo; el segondo intendo del nostro Gio. Toudesch, soubito a1 mio ariva a 
Fiorenza meterema la statua del grau Cosimo a cavallo . . ."; Gaie, "Carteggio inedito", III (1840), Seite 517.
	        
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