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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 1 und 2)

Nach dieser Feststellung ist es sehr 
leicht, die übrigen Figuren in ihren 
geheimen tektonischen Funktionen zu 
durchschauen. Die zu Füßen der beiden 
weiblichen Figuren sitzenden Evange- 
listen Johannes (Abb. n) und Matthäus 
(Abb. 5) sind in eine Raute einkompo- 
niert. Die Schenkel der Raute sind an- 
nähernd bestimmt: durch Rücken-, be- 
ziehungsweise Oberarmlinie und Ver- 
bindungslinie zwischen Finger- und 
äußersten Zehenspitzen einerseits und 
durch Schienbein und die vom Kopf 
zur äußeren Hand führende Linie ander- 
seits. Wenn wir nun die Wirkung dieses 
Kompositionsschemas zunächst an der 
Figur des Evangelisten Johannes (AbbJI) 
beobachten, so stellen wir fest, daß die 
zwei Rautenseiten parallel zu Kanzel- 
rückwand und Pfeiler verlaufen, so die 
 
Abb. ma. Die Passauer Dornkanzel 
Figur der Gruppe der Rückwand angliedernd, während die beiden anderen 
Rautenseiten parallel zur Stiegenbrüstung laufen, auf diese Weise die auf- 
steigende Linie der Stiege wiederholend, aufnehmend und in das ganze 
System der geschlossenen Umrißlinien 
überleitend. Der Adler, das Symbol 
des Evangelisten, verlängert mit seiner 
Schwinge die eine Rautenseite und ver- 
stärkt dieserart glücklich die Wirkung. 
Die wundervolle Figur des Evangelisten 
Matthäus auf der Gegenseite (Abb. 5 
und 12) übt wieder ähnliche Funktion, 
um die kräftig ausladende Brüstungs- 
umrißlinie in den Urnriß der Rückwand- 
gruppe und der Schalldeckelkomposition 
überzuleiten. Die Anwendung des über- 
aus markanten Kontraposts dieser Figur 
dient, ähnlich wie bei der Figur der Pro- 
videntia des Mehlrnarktbrunnens, der 
Wahrung allseitiger Wirkungsmöglich- 
keit dieser Figur im besonderen und 
der Kanzelkomposition überhaupt. Das 
Gewand dient bei allen Figuren vor- 
nehmlich zur Verdeutlichung des Be- 
wegungsmotivs oder zu seiner Aus- 
 
Abb. 10b. Das Konstruktionsscbema der Passauer 
Domkanzel
	        
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