aus der eingelebten Tradition und Sitte, der niemals durch schulmäßige Ausbildung zu er-
setzen sein wird, besitzt der Geist der ursprünglichen Volkskunst auch die Gewähr für seine
Allgemeinverständlichkeit, für seine Selbstverständlichkeit und Lebenskraft.
Wenn wir heute die im Absterben befindlichen Triebe der alten Volkskunst wohl
nirgends zu neuem Leben zu erwecken vermögen, so gelingt es doch manchmal, ihre
Knospen auf andere, junge und gesunde Stämme zu verpflanzen und dort zu neuer Blüte
und Frucht zu entwickeln. In diesem Sinne kann aus den alten und verehrten Äußerungen
deutscher Volkskunst in der aufnahmsfähigen Jugend anderer Bevölkerungsschichten, in
anderer Zeit Kindern, eine wertvolle Neublüte entstehen. Es kann ein Anderes und Boden-
ständiges hervorwachsen, das in seiner Art wieder der alten Volkskunst verwandt zu
sein vermag. Darum besitzen die Denkmale der deutschen Volkskunst für unsere ganze
neuzeitliche Kunstentwicklung schon seit Beginn derselben so vielfältig anregende
Kräfte. K. O. Hartmann sucht diese Wirkungen zu begründen, sucht ihre Verwertung
in ein System zu bringen und benutzt dazu historische Rückblicke und pädagogische
Fernblicke.
Er zieht Ästhetik und Pädagogik heran, um eine klare Motivierung der Vorgänge und
einen logischen Aufbau der Methoden zu demonstrieren. Als Grundton schwingt immer
seine aufrichtige Liebe und Verehrung für das Deutschtum mit. Am wärmsten wirken
darum auch jene Stellen, in denen er das Wesen und die Eigenart der deutschen Kunst
begeistert schildert, während es ihm kaum gelingt, uns zu überzeugen. daB ein solches
gewachsenes und gewordenes Ganzes heute wieder systematisch großgezogen werden
könne.
Und doch ist es wichtig, den Gedanken nachzuhängen, wie doch eine Zusammen-
fassung und Pflege jener Kräfte zu bewirken wäre, die tatsächlich in jeder bodenständigen
Bevölkerung und besonders in der deutschen für die künstlerische Erweckung reif sind.
Wir müssen dies heute um so mehr tun, je intensiver wir die vorhandenen Werte -. seien
sie nun ethischer oder materieller Natur _ zur höchstmöglichen Steigerung führen müssen.
Darum bietet das Büchlein dem aufmerksamen Leser mancherlei Anregungen, führt
aber sicherlich viele zu ganz anderen Schlußfolgerungen, als der Verfasser voraussehen mag.
Das Thema wird in der nächsten Zeit wohl öfter zu behandeln sein. Deutschösterreich
wird aber dabei seine eigenen und besonderen Bedingungen zu berücksichtigen haben.
Dabei wird mehr die Verschmelzung mannigfaltiger nationaler Einflüsse als die Betonung
einer einseitigen Rasseneigenart zu gelten haben. Österreich war stets der Schmelztiegel
für Süd- und Nord-, für Ost- und Westeuropa. Und doch war es stets auch der impulsivste,
künstlerisch produktivste Boden der deutschen Lande. Vielleicht gerade deshalb! H. F.
ER „KÜNSTLERHANDDRÜCK" VQN AUGUST ROTI-If" Das neue
graphische Verfahren, das der Maler August Roth, Wien, erfunden und auch in
Ausstellungen (insbesondere der Sezession) durch reizvolle eigene Arbeiten den Freunden
seiner Kunst vorgeführt hat, dieses Resultat langer Versuche stellt nun der Künstler in
einer kleinen Schrift ausführlich dar. Die Beilagen bringen zugleich Wiederholungen
seiner eigenen Arbeiten und demonstrieren die erzielten Wirkungen. Insbesondere in
Federzeichnungen, die der Radierung nahekommen, und in Kohlezeichnungen, die der
Lithographie näherstehen, zeigt sich das bisher Erreichte in günstiger Weise. Die Hilfs-
mittel sind nicht kompliziert, setzen aber offenbar lange Übung voraus. Druckkartons
ersetzen die Lithographensteine und ein lichtempfindliches Material - das doppe1chrom-
saure Kali - vermittelt die Fixierung der Originalgraphik zum Zwecke des Umdruckes.
Von der feinsten Nadelzeichnung auf Glas bis zu breiten Pinselstrichen und Tonflächen
vermag der Künstler durch dieses Verfahren die verschiedenartigsten Materialsprachen
zur Vervielfältigung in einem oder auch mehreren Tönen zu bringen. Es ist aber kein rein
mechanisches Verfahren, sondern ein Künstlerhanddruck, der von der Eignung des
" Verlag von C. Angerer 8: Göschl, 1918.