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geistigen Sinne. Vielleicht ist dieses heute so schwer bedrängte, so tief
gesunkene, so grenzenlos verelendete Land, wenn es seiner unverlierbaren
Kräfte bewußt wird und sie zu voller Entfaltung bringt, berufen, seine alte
politische und geographische Brückenstellung inmitten fremder Völker neu
zu beziehen und dem Rätsel des Lebens eine neue Deutung zu geben.
KUNSTSCHAU 1920 S0 VON L. STEINMETZ-
WIEN 50
AS Jahr xgo8 brachte Wien die erste Kunstschau, leb-
haft begrüßt von allen, welche nach der Kunst
ihrer Zeit Begehr trugen. Professor Josef Hoff-
mann der Wiener Kunstgewerbeschule schuf als
Chefarchitekt im Vereine mit den Architekten
Paul Roller, Emil Hoppe, Otto Schönthal und Karl
Bräuer ein monumentales Ausstellungsgebäude
am Eislaufplatze des Heumarkt, mit einem Garten-
theater vom Architekten Franz Lebisch. Gustav
Klimt stand an der Spitze des Ausstellungs-
komitees, dem auch Professor Koloman Moser
angehörte. Zehn Jahre nach Gründung der Sezession mußte die „Klimt-
Gruppe" mit dieser Tat gegen die allgemach wieder eingelenkte Absperrung
Wiens von westeuropäischer Kunst protestieren, die zugefallenen Tore
neuerdings öffnen. Tatsächlich belebten nach langem wieder die Werke
reichsdeutscher, schweizerischer, italienischer, französischer, englischer
Künstler die Wände Wiener Ausstellungsräume.
Die Kunstschau 1920 ist abermals tatkräftiger Protestakt, diesmal gegen
die verzweifelte Stimmung der Zeit. Regierungsrat Professor Josef Hoffmann
steht nun an der Spitze des Komitees. Ihm zur Seite die Professoren Anton
Hanak, Ernst Lichtblau, Alfred Roller, Karl Witzmann; die Maler Anton
Faistauer, R. Chr. Andersen als werktätige Mitarbeiter und Hofrat Dr. Eduard
Leisching, Gustav Nebehay als die wesentlichen Förderer.
„Alle Gestaltenden im Sinne eines kulturellen Aufbaues sollen durch
die Wenigen, die hier rast- und selbstlos wirken, zur Mitarbeit aufgerüttelt
werden. Der Jugend sollen Lebensaufgaben geöffnet werden, die alle
Nichtigkeiten des Daseins verdrängen, die das Streben wertvoll gestalten.
Die Baumeister müssen endlich auf die richtigen Posten gestellt werden.
Die bildenden Künste müssen sich ergänzen, Musik und Literatur muß sich
mit ihnen zur Neugestaltung verschmelzen. Der Aufbau soll nicht nur
literarisch vorbereitet und weitergeführt werden, es soll doch endlich die
Freude am Schönen siegen und walten. Das Geld soll kein unüberwindliches
Hindernis, aber auch kein privilegiertes Machtmittel in diesem Aufbau sein.
Die Künste sollen von der lärmenden Politik gesäubert werden." Das sind