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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / Heft 7, 8, 9 und 10)

in Wechselwirkung standen. Es sind besonders aus den Balkanländem wertvolle Samm- 
lungen angeschlossen worden, die aufzeigen, wie viele Fäden aus dem nahen Orient in 
das alte Bollwerk germanischer Kultur reichen, das der Kaiserstaat bildete. Dr. Haberlandt 
ist wohl ursprünglich von ethnographischen Gesichtspunkten ausgegangen und hat die 
wissenschaftliche Forschung, den Zusammenhang mit den Disziplinen der Universität 
stets im Auge behalten. Aus dem erfolgreichen Verlauf der Sammeltätigkeit ist aber 
ein neues Ergebnis ganz naturgemäß von selbst entstanden. Es wurde doch auch ein 
Museum der Volkskunst, weil alle sichtbare, schöpferische Werktätigkeit kulturell ver- 
anlagter Völker naturgemäß zur künstlerischen Formgebung drängt. Wie wir heutedie 
künstlerische Veranlagung der Kinder kennen, die früher so oft unbeachtet und vernach- 
lässigt blieb, so lernten wir auch die Gestaltungskraft und formgebenden Fähigkeiten jener 
Bevölkerungsschichten kennen und schätzen, die sich in ihren ländlichen, ursprünglichen 
Lebensverhältnissen die kulturelle Kindlichkeit erhalten haben. In der ursprünglichen 
Frische der kraftvollen und handwerksmäßigen Lösung vielfältiger Aufgaben des Wohnens 
undWirkens, in demEinliuß lokaler, klimatischer und technischerArbeitsbedingungen, in den 
Nachwirkungen von Sitte, Neigung und Fähigkeit liegt ein Ansporn zu so mannigfaltigem 
Schaffen, wie es diese reiche Sammlung zeigt. Das erste Stockwerk enthält die Leistungen 
der deutschösterreichischen, der Sudeten- und Karpathenländer und als künstlerisch wert- 
vollsten Teil die abgesonderte bedeutende keramische Sammlung. Das Erdgeschoß zeigt die 
Arbeit der Adria- und Balkanländer, der Schweiz, der romanischen Länder, eine europäische 
Vergleichssammlung und als künstlerisch abgerundete Vorführung die bäuerlichen Wohn- 
stuben, sowie eine Sammlung von Beleuchtungs- und I-Ierdgeräten. 
Es ist stets darauf Bedacht genommen, daß innerhalb der geographischen und kultu- 
rellen Zusammengehörigkeiten auch die technisch und künstlerisch zusammenhängenden 
Leistungen aneinandergereiht wurden, so daß außer den Sonderkollektionen noch jede 
einzelne Gruppe ihr Mobilar, ihre Keramik etc. aufweist. 
Es ist lebhaft zu wünschen, daß nun auch noch jene so anregende Darstellungsform 
volkstümlichen Lebens und Schaffens zur Ausbildung gelange, die in den vorbildlichen 
Sammlungen des skandinavischen Nordens so wirkungsvoll vertreten ist. Die Aufstellung 
und Einrichtung volkstümlicher Bauten, das Bautenmuseum, wäre der nächste Schritt, zu 
dem dieser Reichtum an Sammelgut drängt. 
KLEINE NACHRICHTEN 50' 
MAX KLINGER  Kaum dreiundsechzigjährig ist Max Klinger am 4. Juli dieses 
Jahres auf seinem Landgute Großjena bei Naumburg einem Leiden erlegen, das 
ihn - infolge einer Lähmung - bereits einige Zeit vorher des Gebrauches der rechten 
Hand beraubt hatte, für einen Künstler, dem Schaffen und Leben stets gleichbedeutend 
war, gewiB ein bitteres Los. Allein als Klingers Kräfte zu versagen begannen, war sein 
künstlerisches Werk eigentlich schon abgeschlossen und so spielt diese kurze, traurige 
Periode des Verfalles gegenüber einem Leben, das im ganzen aus einer stolzen Kette von 
Gipfelpunkten bestand, eine kaum nennenswerte Rolle. 
Was Nietzsche einmal von sich gesagt hat: „Zwischen drei Begabungen die mittlere 
Linie finden - mein Problem", das gilt auch von Klinger, dem genialen Radierer, Maler 
und Plastiker. Aber hinter dieser Dreigestalt des bildenden Künstlers steht unsichtbar und 
doch in jeder Äußerung deutlich fühlbar der Dichter, Denker und Musiker Klinger. Eine 
derartige Universalität des Talentes und der Bildung, wie sie uns bei Klinger begegnet, 
ist seit den Tagen der Renaissance in der Kunstgeschichte nicht wieder hervorgetreten, 
und von ganz renaissancemäßigem Zuschnitt ist auch Klingers grandioses Kunstwollen 
und die staunenswerte Vielseitigkeit seines technischen Könnens. Gleich seinem großen
	        
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