Landsmann Richard Wagner ist auch Klinger zeitlebens ein eifriger Verfechter der Idee
eines „Gesamtkunstwerks" gewesen, und war dieses „Kunstwerk der Zukunft" bei Wagner
vorwiegend musikalisch-dramatischen Charakters, so sah Klinger das angestrebte Ideal
in dem „Raumkunstwerk", in welchem sich Architektur, Plastik und Malerei, beziehungs-
weise Raum, Form und Farbe in einträchtigem Zusammenwirken zu einer höheren künst-
lerischen Einheit verbinden sollten. Alle Hauptwerke Klingers, seine polychromierten
Plastiken sowohl wie auch seine monumentalen Gemälde „Das Urteil des Paris", „Die
Kreuzigung" und „Christus im Olymp", nicht minder die Leipziger Universitäts- und
Chemnitzer Wandbilder sind im Hinblick auf die von Klinger in seiner Schrift „Malerei
und Zeichnung" niedergelegten Prinzipien der „RaumkunsW entstanden und können nur
von diesem Gesichtspunkte aus richtig gewürdigt werden. Leider haben die meisten dieser
Arbeiten nicht jene Aufstellung gefunden, die den Intentionen ihres Schöpfers ganz ent-
sprechen und ihre Vorzüge restlos zur Geltung bringen würde. Nur ein einzigesmal ist
'das „Raumkunstwerkß von dem Klinger geträumt, für eine kurze Spanne Zeit wirklich
in die Erscheinung getreten, nämlich in der Ausstellung der Wiener Sezession vom
Jahre 1902, deren Mittelpunkt Klingers „juwelenhaftes" Beethoven-Denkmal bildete. ln
einem tempelartigen Raume, den Josef Hoffmann gestaltet und Gustav Klimt mit seinem
berühmten „Beethoven-Fries" geschmückt hatte, thronte in Gold, Elfenbein und farbigem
Gestein erschimmernd göttergleich der Komponist der „Neunten". Es war, wie Ludwig
Hevesi damals schrieb, eine Kirche der Kunst, in die man zur Erbauung eintrat und
aus der man glaubend hinwegging. Es war die denkbar schönste Huldigung für die
Manen des unsterblichen Tondichters, zugleich aber auch eine eindrucksvolle Hul-
digung für den Genius Max Klingers, dem die Wiener Künstlerschaft bei diesem
Anlasse - es war der Höhepunkt seines Lebens - freudigst und begeistert Gefolgschaft
leistete.
Seitdem ist es allmählich stiller um Klinger geworden. Nicht daß seine Schaffens-
kraft schon damals nachgelassen hätte. Aber die Richtung, die er verfolgte, sein unabläs-
siges Streben, den Geist der Antike neu zu beleben und in moderne Formen umzugießen,
wich bald allzusehr von dem neuen Kurse ab, den die zeitgenössische Kunst inzwischen
eingeschlagen hatte. Selbst die Annäherung an Rodin, die er als Bildhauer suchte, die
eigenartige Auffassung seines Brahms-, Wagner- und Abbe-Denkmals, ja auch der moderne
Geist, der durch seine letzten Radierungen und die Chemnitzer Wandbilder wehte, konnte
nicht verhindern, daß man ihn schon bei Lebzeiten jener bereits historisch gewordenen
Generation von Künstlern zuzählte, die wie Böcklin, Feuerbach und Marees gleichfalls das
klassische Schönheitsideal als allein seligmachend auf ihre Fahnen geschrieben hatten.
Man ehrte Klinger ob der Größe seiner Leistung in und außerhalb seiner sächsischen
Heimat längst als Klassiker, aber man erhoffte sich nichts Neues mehr von ihm, nichts,
was auf den Gang der gegenwärtigen Kunstentwicklung irgendwie noch hätte bestimmen-
den Einfluß nehmen können. Und an dieser Stellungnahme vermag nun auch sein Tod
nur wenig zu ändern. Man wird sich jetzt vielleicht klarer bewußt, wo die Ewigkeitswerte
seiner Kunst und wo ihre Grenzen liegen, man wird vor allem seine Radierungen höher
schätzen lernen, in denen er sein Bestes und gerade dasjenige gegeben hat, was auch für
die Zukunft ein Born des Genusses und der Anregung bleiben wird. Seine plastischen und
malerischen Werke aber gehören heute schon zum geschichtlich gewordenen Bestand der
deutschen Kunst, der er damit, ebenso wie dem deutschen Geistesleben, mächtige und
wertvollste Impulse gegeben hat. Hans Ankwicz
ÄaBERT GÜNTHERT. Am x6. Mai 1920 starb in Wien der Buchbinder Albert
Günther nach kurzer Krankheit im Alter von 76 Jahren. Mit Günther ging mehr dahin
als ein Mensch von den vorzüglichsten und besten Charaktereigenschaften, den jeder, der
ihn gekannt, geschätzt und hoch geachtet hat. In ihm verliert die Stadt einen Kunsthand-
werker, der die guten alten Traditionen seiner Kunst in eine Zeit hinüberzuretten versuchte,