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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / Heft 7, 8, 9 und 10)

IE ESSENER KUNSTGEWERBESCHULAUSSTELLUNG IN 
MANNHEIM. Als 24. didaktische Ausstellung des Mannheimer „Freien Bundes 
zur Einbürgerung der bildenden Kunst" zeigte jetzt Dr. Fritz Wichert das Gesamtschaffen 
der von Regierungsbaumeister Alfred Fischer musterhaft geleiteten Essener Handwerker- 
und Kunstgewerbeschule. Ein expressionistischer Stil von strenger architektonischer Bin- 
dung vereint geistig alle die verschiedenartigen Produktionsgebiete, durchdringt schöpferisch 
das kleinste Ornament eines Vorsatzpapiers wie auch die großräumige Komposition des 
Innen- und Außenbaues. 
In der Hauptsache sind es sechs Lehrer, die dem Architekten als dem geistigen 
Führer der ganzen Anstalt zur Seite stehen: der den reinen Geschmack der „Wiener 
Werkstätten" verkörpernde A. O. I-lollub, die Leiter der Klassen für Schrift- und Flächen- 
kunst W. Poetter und für dekoratives Entwerfen, wie Plakate und Kostüme, Karl Kriete, 
die Lehrer für Studien nach der Natur Josef Urbach, für Bildhauerei J. Enseling und 
für Metallarbeit Josef Merten. Alfred Fischer ist als ein höchst gewissenhafter, strenger 
Architekt, zum Beispiel von seinen Bauten auf der Kölner Werkbundausstellung 1914 
her, uns allen wohl bekannt, wiirfelhaft begrenzt in der Plastik seines Außenbaues, scharf 
quadratisch in der Teilung seiner Innenräume, darin seelenverwandt einem Wilhelm Kreis, 
Peter Behrens, der Wiener Bauschule Otto Wagners und Josef Hoffmanns. Diese strenge 
Rhythmik nimmt nun auch die Innendekoration A. O. Hollubs auf, indem sie Körper und 
Flächen in geschmackvoller Farbigkeit kontrastiert. 
Der theoretische Gegensatz einer körperhaft systematischen Raumkunst und einer 
in funktioneller Gliederung arbeitenden Konstruktion scheint an der Essener Schule in 
höherer Synthese aufgehoben zu sein. Die Ornamentik, wie sie auf dem Grund eines 
Quadratnetzes sich als zierliches Vorsatzpapier, als großgemusterte Tapete, freikünst- 
lerisch gesteigert als leuchtendes Fresko entfaltet, nimmt die aktive Diagonale zum Ausgang, 
um daraus eine Fülle farbig ausdrucksreicher Formen zu entwickeln. Ebenso sucht die 
alle klassischen, gotischen und Kursivformen souverän beherrschende Schriftklasse ihre 
Texte zu einer expressiven Monumentalität zu steigern: die banale Lesbarkeit muß hinter 
das stolz Aufgereckte, das Zusammengekauerte, das Fließende oder das graziös Schwebende 
dieser rhythmisch geordneten Buchstabenreihen als ein sachlich Untergeordnetes zurück- 
treten. Auch die phantasievollen Plakate, die in dieser Schulklasse entstehen, steigern alle 
industriellen oder luxuriösen Geschäftszwecke zur bewullten Kunstform, und in diesem 
Sinne wirkt dann auch die mannigfaltige freie Graphik, der Holzschnitt in seiner derb 
gebrochenen Vieleckigkeit natürlich dominierend, seiner Technik die Kaltnadelradierung, 
die scharf gestrichelte Lithographie, die in großen Massengegensätzen arbeitenden Bleistift- 
oder Tuschzeichnungen annähernd. Denn auch die freikünstlerischen Naturstudien jener 
von Josef Urbach geleiteten Klasse, die den figürlichen Akt, die Landschaft, die Tierskizze 
nach dem während der Zeit der Kohlennot in Essen weilenden Hagenbeckschen Tierpark 
pflegte, geben keine vollkommen durchdetaillierten Naturbilder, sondern nur wesentliche 
Akzente im Hinblick auf Zeichnung, Farbigkeit, Beleuchtung: zusammengehaltene Sil- 
houetten, komplementäre Farben, stark wirkende Gegensätze in Licht und Schatten. Es 
ist da in Mannheim eine lllustrationsfolge in Holzschnitt der „Passion Christi" des jungen 
Neußer Ewald Malzburg zu sehen, die nach religiöser und formaler Vertiefung auch in 
jeder freikünstlerischen Ausstellung mit Ehren bestehen könnte. 
Auch die Plastik in ihren ornamentalen wie ihren figürlichen Werken ist dieses archi- 
tektonisch gestrafften Geistes voll, auch die buntschillernde Keramik, die Emailarbeit, die 
Treibkunst in Eisen und Messing. Im Sinne der Schulausstellung ist es höchst lehrreich, den 
Werdegang solch eines Flachtellers vom ausgeschnittenen glatten Blech an bis zur plastisch 
vollendeten Form zu verfolgen. Runde I-Iolzschachteln bedecken sich mit vielfarbigen auf- 
gemalten Ornamenten, die ein kostbares expressionistisches Muster immer neu variieren. 
Und diese Variation schillernder Ornamente ist schließlich auch das Hauptgebiet der 
weiblichen Textilarbeiten, wie sie in mannigfalügstemReichtum an der EssenerKunstgewerbe-
	        
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