schein; darauf wurde Füger von ihm zum Speisen eingeladen, welcher Aufforderung er
folgte. Am 9. Juni ließ er sich beim Regierungspräsidenten Grafen Bissingen anmelden
und fragte an, wie er sich für den Fall einer Anforderung an die Gemäldedepots zu ver-
halten habe. Bissingen konnte ihm keine bestimmte Art angeben, wie er eine solche
Anforderung würde ablehnen können. Als er zurückkehrte, meldeten ihm die Kustoden, daß
inzwischen Denon mit zwei Komrnissären ins Belvedere gekommen sei und sie auf Grund
eines übergebenen schriftlichen Befehles des Kaisers Napoleon allsogleich angefangen
hätten, in den Depots der beiden Rondelle Gemälde auszusuchen. Füger legte die Abschrift
des Befehlschreibens vor, in dem es unter anderem heißt: „Mr. Füger, directeur de 1' academie
du Belvedere, voudra bien donner ä Mr. Denon rigoureusement tous les renseignements
convenables et mettre a sa disposition tous les objets qu'il designera."
Am io.]uni erfolgte abermals ein Besuch Denons unter Fortsetzung der Bilder-
auswahl durch zwei Tage mit der größten Genauigkeit. Denon ließ durch seine Sekretäre
Verzeichnisse der gewählten Gemälde verfertigen und versprach Füger Duplikate davon,
die später tatsächlich einlangten. Die Himmelfahrt Mariä von Rubens und das Mosaik
von Batoni mußten von der Wand abgehängt und zum Transport gerichtet werden. Alle
Einwendungen dagegen blieben fruchtlos. Auf die Schwierigkeit des Transportes des
großen Rubens aufmerksam gemacht, meinte Denon, er würde das Bild in drei Teile aus-
einandernehmen. Füger erwiderte, eine solche „Operation" würde Stoff zu einer Anekdote
in der Kunstgeschichte geben, die er nicht auf seine Rechnung zu nehmen gedächte. Das
blieb aber ohne Eindruck. Denon behauptete, ausdrücklichen Befehl zu haben, dieses Bild
zu nehmen. Es wurde demnach mit kleinen Sägen durchschnitten und gleich anderen,
kleineren Gemälden eingepackt, Aber nicht nur diese Bilder nebst vielen anderen aus den
Depots, deren größter Teil „nicht Kunstverdienst genug hatte, um für Pariser Museen
geeignet zu sein", wurden genommen, sondern auch die großen „Bataillen"-stücke des
Prinzen Eugen aus dem unteren Belvedere, auch einige auf Spiegel gemalte geringe
Stücke, ein Marmortisch von Mosaik, chinesische Figuren usw. Sichtlich war Denon
bemüht, die Anzahl der Kunsttrophäen zu erhöhen. Selbst mehrere Kopien bekannter
Gemälde wurden mitgenommen. Auf Fügers Frage, ob er wirklich das alles im Museum
aufstellen werde, verneinte Denon; es dürfe aber nicht das Ansehen haben, als hätte er
die kaiserliche Galerie begünstigen wollen. Alle Einwände waren vergebens. Man gab
Füger zu verstehen, daß die ganzen Depots als französisches Eigentum angesehen werden.
So suchte Füger wenigstens alles das für die Galerie zu erhalten, was nicht von
Denon ausgewählt worden war. Der größte Teil der in den vier unteren „sale terrene"
befindlichen Stücke, auch die beiden Marmorgruppen, Karl VI. von Donner und Prinz
Eugen von Permoser „wurden uns versichert". Um diese Depots vor weiteren Angriffen
zu bewahren, erbat sich Füger vorn Generalgouverneur einen Befehl, der ihn autorisiertie,
sie verschlossen zu halten. DieserfAuftrag erhielt er auch sogleich. Denon seinerseits
stellte von ihm unterzeichnete Affichen bei, um die Türen der Depots gegen Gewalttätig-
keiten der Soldaten zu schützen, welche bei der am 4. Iuli erfolgten Einquartierung des
französischen rekonvaleszenten Militärs gute Dienste leisteten. Zu letzterem Zwecke hatten
zehn Zimmer des oberen Palais geräumt werden müssen. Auch zwei große Küchenherde
mußten binnen 24 Stunden instand gesetzt werden, obwohl die Rauchfänge abgetragen
waren. Keine Vorstellung in letzterer Richtung wurde angehört. Am nächsten Tage
erschienen 400 Mann, doch ohne Offiziere, noch irgend jemand, der ihnen Verpflegung
und Geschirr gebracht hätte. Dies dauerte bis abends. Füger geriet in große Besorgnis, da
er sie nicht zu verköstigen vermochte und die Gefahr vorlag, daß sie ihren Unmut an dem
kaiserlichen Palais auslassen könnten. Nur dadurch, daß er französisch sprach, konnte er
sie beruhigen. Abends langte endlich ein Wagen mit Brot ein. Am nächsten Tage kamen
zwar Brot, Fleisch und Wein, aber kein Geschirr. Die Einwohner des Hauses gaben davon,
was sie hatten, doch reichte es nicht. Füger ließ daher das Nötigste kaufen. Da die
Forderungen immer dringender wurden, bat Füger den Generalgouverneur um Abhilfe.