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war. Wenn man auch für die Tierteppiche, deren Vorliebe für Vogelmotive
wichtig scheint, etwa auf byzantinische Stoffe als Anreger hinweisen kann,"
beweisen läßt sich aber ein byzantinischer Einiluß noch nicht weiter, höch-
stens wahrscheinlich machen.
Gliedert man den durch Abbildungen oder Originale bekannten Bestand
an orientalischen Teppichen, soweit sie nicht für spezielle Gebrauchszwecke
gefertigt sind, systematisch nach der Art der Flächenteilung, so ergeben sich
im großen drei Gruppen: I. die Musterung nimmt auf die durch die Ränder
festgelegte Fläche des Spiegels Rücksicht und paßt sich ihr an; z. der
Spiegel ist gleichmäßig mit Ornamenten übersponnen, die ohne Berück-
sichtigung der Grenzen Muster ohne Ende zeigen; 3. die Musterimg gibt
nur einen zufälligen Ausschnitt aus einem größeren Ganzen. Es ist ein-
leuchtend, daß entwicklungsgeschichtlich die erste Gruppe von besonderem
Interesse ist; denn als ein Hauptprinzip islamischer Ornamentik gilt doch
mit Recht der Drang ins Grenzenlose, der Reiz der Phantasie durch das
Unklare, Unübersichtliche. So schließen sich in gewissem Sinne die
Gruppen 2 und 3 zu einer Einheit zusammen, wenn sie auch prinzipiell
geschieden werden müssen, da ihre Wirkung eine zu verschiedene ist; die
eine beruhigt durch die Fülle der Einzelheiten, hält Blick und Phantasie fest
am Gegebenen, die andere quält und beunruhigt - wenigstens uns! -
durch das Fehlende. (Es ist meist nur eine Frage des Maßstabes; aber das
ändert nichts an der Wirkung.)
Innerhalb der ersten Gruppe muß man wieder drei Unterabteilungen
scheiden: ein Netz regelmäßiger, geometrischer Gebilde überzieht die Fläche
und die Koordination dieser einzelnen Kompartimente ergibt die Gesamt-
musterung; die Musterung gliedert die durchaus als Einheit aufgefaßte
Fläche durch differenzierende I-Ieraushebung wichtigerer Flächenteile -wie
zum Beispiel der Mitte und der Ecken -- oder durch die Führung der
gegenständlich differenzierten Zeichnung an sich; ohne Hilfe geometrischer
Gebilde deutet ein großzügig geführtes Muster die vorhandene Fläche aus.
Diesem Versuch von Klassifizierungen" kann natürlich nur der Wert von
Arbeitsbehelfen zukommen. Er kann und will Mischtypen, die vorläufig über
den Gang der Entwicklung doch nichts aussagen können, nicht einschließen.
Denn wie schwer es schon ist, die Sprache der einfachen Typen zu ver-
stehen, will ich am Beispiel der Gartenteppiche zeigen, die ich in die zweite
Untergruppe einordne. Es ist allgemein üblich, in ihnen Nachfahren des
Chosrauschen Frühlingsteppichs zu sehen. Wir wissen aber von dessen
Zeichnung, wie wir schon sahen, nichts; nach unserer Kenntnis sassani-
discher Kunstprinzipien ist es als unwahrscheinlich zu bezeichnen, daß der
starr gliedemde Linienzug der Flächeneinteilung den Eindruck beherrscht
" So auch F. Sarre in dieser Zeitschrift X (1go7), Seite 506.
"K Die noch gebräuchliche Einteilung nach der Gattung der Musterung - figurale, vegetabilische,
geometrische - steht auf der gleichen Stufe wie ein etwaiger Versuch, die Geschichte der Malerei des
XVII. jahrhunderts nach den dargestellten Vorwürfen zu gliedern. Es kommt doch darauf an, was mit den
Motiven gemacht wird.