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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 1, 2, 3 und 4)

Ausdruck eine jener Kunstkonsumentenorganisationen, wie sie in der Zeit biedermeierisch- 
bürgerlicher Genügsamkeit vielfach ins Leben gerufen wurden. Durch Aktien erwarb man 
sich das Recht auf Teilnahme an Auktionen der durch den Verein erworbenen Bilder 
Altwiener Künstler, und manches was heute zutage kommt, ist auf jene Weise in den 
Besitz alter Familien gelangt. Aber auch Beziehungen zur reproduzierenden Graphik 
bestanden bereits und auch eine Originallithographie ward ausgegeben, und das große 
Blatt L. Jacobys, der berühmte Stich nach der Schule von Athen, dessen Sicherung und 
Herausgabe dann die Gesellschaft übernahm, ist bereits x868 von jenem älteren Kunst- 
verein gemeinsam mit dem Hamburger Kunstverein in Auftrag gegeben worden. Ganz 
dem Bewußtsein entschwunden ist es aber, daß eine der letzten Taten des Kunstvereines 
ein Beitrag zur monumentalen Ausschmückung Wiens war, die Errichtung der acht Figuren 
auf der ehemaligen Elisabethbrücke, die in neuerer Zeit vor dem Rathause zur Aufstellung 
gelangten. Solcher Aufgaben nahmen sich dann im Zeitalter der Gestaltung Neu-Wiens 
die öffentlichen Faktoren und der Stadterweiterungsfonds an. Auch die Vermittlung des 
Verkehrs zwischen Künstlern und Publikum ging auf die neugegründeten Künstler- 
vereinigungen über. Der Architektur, Plastik und Malerei erstanden sonach Hilfen aller 
Art, nur die Graphik blieb ungeschützt und sie bedurfte eines Schutzes in hohem Maße, 
da die siegreich vordringende Photographie ihr sehr hart zusetzte. Da war es Hofrat 
. Leopold v. Wieser, der mit einer Reihe gleichgesinnter Männer den Plan faßte, den Kunst- 
verein, der sich überlebt hatte, zu regenerieren und ihn zu einer Schutzorganisation 
der bedrohten graphischen Künste zu machen. Die Beziehung des Beamtentums zu den 
Künsten gehörte auch zu den Spezialitäten Altösterreichs. Was hat Literatur und 
Musik ihm zu verdanken! Die PHege der bildenden Künste schien im Obersten Rechnungs- 
hofe heimisch zu sein. Der letzte Vorsitzende des Kunstvereins war Präsident Preleuthner, 
Wieser war sein nächster Kollege im Amte. Er besaß in harmonischer Verbindung alle 
Eigenschaften, Kenntnisse und Stimmungen, die ihn befähigten, neue Richtlinien in der 
Förderung von Kunst und Kunstgesinnung aufzustellen und den klar erfaßten Weg auch 
mit größter Beharrlichkeit zu gehen. Ihm schwebte vor, in einer Zeit stärksten Kunst- 
betriebes in weiteren Kreisen, als die waren, die sich bis dahin mit Kunst beschäftigten, 
ein näheres Verhältnis zu ihr aufzubauen; er wollte damit nicht nur den Schaffenden 
helfen, sondern auch in die Bildung breiter Schichten ein neues Element der Veredlung 
und geistigen Erhebung bringen. Er wußte genau, daß Empfänglichkeit vorhanden sei, 
daß aber ihre Fruchtbarmachung in weiten Kreisen der Gebildeten durchaus vernachlässigt 
war und am besten gerade durch die Graphik erfolgen könne. Er hatte den Blick für 
das Notwendige wie für das Kommende und er sah mit Recht voraus, daß es nur des 
Zusammenschlusses geeigneter Kräfte und der Stellung bestimmter Aufgaben bedürfe, 
um Holzschnitt, Kupferstich, Radierung und Lithographie wieder neu zu beleben und 
durch sie eine heilsame Demokratisierung und Popularisierung der Kunst hervorzurufen. 
Als genauer Kenner der Photographie und als einer der ersten Amateurphotographen 
Österreichs ermaß er vollkommen ihre Leistungsfähigkeit, welche den graphischen Künsten 
auf die Dauer keinen Abbruch tun konnten, und es gehört mit zu den starken Wirkungen, . 
die er auf dem Boden der Gesellschaft gemeinsam mit seinem treuen Mitarbeiter Paulussen 
auslöste, daß er der Heliogravüre für das ihr zustehende Gebiet zu höchster Entwicklung 
verhalf. Wiesers Verhältnis zu den Künstlern war aufgebaut auf reiner Liebe zur Kunst, 
auf tiefer Einschätzung der künstlerischen Arbeit und ihrer Träger, und auf dem ernsten 
warmen Streben, ihnen zu helfen und sie zu fördern. Wie er als Beamter gewiß nie ein 
Bureaukrat gewesen ist, so war er als Kunstfreund kein Doktrinär, sondern immer ein 
Suchender und Lernender, von hoher innerer Freiheit, warmherzig, enthusiastisch und für 
einen Österreicher von ungewöhnlicher Willensstärke. Es wäre manches auch ohne ihn 
geschehen, aber daB es so gut, so klug und folgerichtig und so überraschend schnell ging und 
auch von Bestand war, das ist nur das Verdienst dieses einzelnen zielbewußten energischen 
Mannes gewesen. Man hat den Österreichern, vielleicht nicht ganz mit Unrecht, den
	        
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