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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 1, 2, 3 und 4)

unseres armen Staates abhängt, vermag seine großen Aufgaben nur zu erfüllen, wenn es 
über einen künstlerisch und physisch tüchtigen Nachwuchs verfügen kann; ihn heranzu- 
bilden ist die Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums berufen, deren mehr als 
5ojährige Tätigkeit dem Staate zu Ehre und Nutzen gereicht. Stets zeigte es sich, daß gerade 
die stärksten Talente unter den Studierenden dieser Anstalt aus völlig unbemittelten Volks- 
kreisen stammen. Sie durch Stipendien zu unterstützen, damit sie ihren, Geist und Körper 
aufs höchste anspannenden Studien obliegen können, war von jeher eine schwere Sorge. 
Eine Anzahl von kleinen Stipendien gewährten Staat, Länder, Kammern, demselben Zwecke 
diente seitjahrzehnten die „Gesellschaft zur Förderung der Kunstgewerbeschule". Bis zum 
Kriege und Zusammenbruch konnte mit Stipendien von 60, 80, 1 oo Kmonatlich manchem blut- 
armen jungen Menschen immerhin eine wenn auch kümmerliche Existenz gesichert werden. 
Die grenzenlose Teuerung und Geldentwertung hat alle diese bis heute noch bestehen- 
den Maßnahmen zu leerem Scheine herabgedrückt. Aber auch die Zahl der Bedürftigen ist 
außerordentlich gewachsen. So herrscht an der Kunstgewerbeschule furchtbare Not. Ein 
kümmerlicher Mittagstisch, den wir mit Unterstützung wohlwollender Freunde der Sache 
eingerichtet haben, sichert den Hungernden wohl eine Mahlzeit am Tage, aber alles, was 
die jungen Menschen sonst zum Leben brauchen (Quartier, Kleidung, Arbeitsmittel, Früh- 
stück, Abendbrot), können sie sich weder aus eigenem, das ihnen zumeist gänzlich fehlt, 
noch aus den lächerlich geringen bisherigen Stipendien beschaffen. Vom Enthusiasmus für 
die Kunst und dem heißen Wunsche, sich für die Anteilnahme an der heimischen Edelarbeit 
zu ertüchtigen, können sie nicht leben. Elend gehen sie zugrunde oder fallen ab von der 
Vorbereitung auf einen Beruf, der ihnen späterhin auskömmliches Leben und dem Staate 
produktive Leistung sichern könnte, worauf eine der stärksten Hoffnungen unserer Wirt- 
schaft beruht. 
Hier Abhilfe zu schaffen ist unser aller ernste Pflicht. Es muß eine größere Anzahl 
von Stipendien in der Höhe von je 10.000 K aufgebracht werden. Diese Jahressumme für 
einen Studierenden entspricht gegenüber den bisherigen Stipendien von höchstens iooo K 
noch nicht den völlig geänderten Verhältnissen. Da vom Staate nicht erwartet und verlangt 
werden kann, daß er die erforderliche Anzahl von Stipendien beistellt, hat die „Gesellschaft 
zur Förderung der Kunstgewerbeschule" beschlossen, eine Sammlung einzuleiten, deren 
Ergebnis dem angestrebten Zwecke zugeführt werden soll; sie will versuchen zunächst für 
dreiJahre x 5 Stipendien in der angegebenen Höhe zu sichern und erwartet bestimmt, daß ihr 
dies mit Hilfe guter, den hohen Wert der österreichischen künstlerischen Kraft richtig 
einschätzender, wohlhabender Männer und Frauen auch tatsächlich gelingen wird. Wid- 
mungen solcher Stipendien für dreijahre könnten unter dem Namen des Spenders verliehen 
werden. Aber jede Geldanweisung in beliebiger Höhe, auf einmal oder in jahresraten, ist 
willkommen. Die Feststellung des Präliminares auf drei Jahre ist notwendig, weil es hart 
und zwecklos wäre, mit Stipendierungen zu beginnen, die nicht wenigstens für solange 
fortgesetzt werden können, als die durchschnittliche Ausbildungszeit eines Studierenden 
dauert. Unsere Sorge muß es sein, den hoffentlich glückenden ersten Versuch im Laufe der 
Zeit weiter auszubauen. Wir richten die innige Bitte an Sie, uns bei diesem Beginnen nach 
Kräften zu helfen. - Obmann: Hofrat Dr. Ed. Leisching, Direktor des Österreichischen Mu- 
seums; Kassier: Stephan Rath, Inhaber der Firma]. 8: L. Lobmeyr; Ständiger Beirat: Hofrat 
Alfred Roller, Direktor der Kunstgewerbeschule." - Den Bemühungen der genannten Gesell- 
schaft ist es gelungen, bisher zehn Stipendien a xo.ooo K auf drei Jahre zu sichern. Hievon 
wurden drei Stipendien von dem früheren schwedischen Gesandten in Wien Baron Joachim 
Beck-Friis und zweien seiner Freunde, zwei weitere Stipendien von der Kammer für Handel, 
Gewerbe und Industrie und dem Verband der Wiener Banken und Bankdirektoren gestiftet 
und aus einer großen Zahl von Spenden konnten noch drei Stipendien gebildet werden. 
Alle für „Kunst und Kunsthandwerk" bestimmten Sendungen sind an die Redaktion dieser Monatsschrift.
	        
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